Ex-Bundesminister Sigmar Gabriel bei Impulse

Ex-Bundesminister Sigmar Gabriel bei Impulse
© IHK Mittlerer Niederrhein

Diese Meldung stammt aus dem Archiv und ist möglicherweise nicht mehr aktuell.

Stand: 09.09.2019

Auch eineinhalb Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Bundespolitik nimmt Siegmar Gabriel kein Blatt vor den Mund. Im Gegenteil: Losgelöst von parteipolitischen Zwängen lässt es sich vielleicht noch etwas pointierter und entspannter analysieren. Davon konnten sich die rund 450 Gäste des diesjährigen Wirtschaftsforums Impulse überzeugen. Eingeladen hatten neben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein die Rheinische Post und Mercedes Herbrand. Das Thema an diesem Abend in Krefeld: „Wirtschaftspolitischer Ausblick: Wohin steuert Deutschland?“.

IHK-Präsident Elmar te Neues stimmte die Gäste in seiner Begrüßungsrede thematisch ein: „Wenn ich die vergangenen Monate und Wochen Revue passieren lasse, dann habe ich den Eindruck: Uns stehen turbulente Zeiten bevor.“ Die Konjunktur kühle sich langsam ab, die Geschäftslage der Unternehmen habe sich zum dritten Mal in Folge verschlechtert. Die Abkühlung betreffe alle Branchen: Handel, Dienstleister und das Produzierende Gewerbe. „Ich beobachte mit Sorge, dass sich die Bedingungen für Industrieunternehmen verschlechtern“, so te Neues. „Die Unternehmen in unserer Region stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen.“

Wie diese Herausforderungen aussehen und angegangen werden könnten, darüber sprach Sigmar Gabriel. Der ehemalige Vizekanzler, Wirtschafts-, Außen- und Umweltminister zeigte sich einmal mehr als intimer Kenner der deutschen Wirtschaft. Seine zentrale These: Der starke Export – das deutsche Erfolgsmodell – entwickle sich zunehmend zum Risikofaktor. „Die Welt wird immer protektionistischer. Von Handelskonflikten sind wir viel eher betroffen als andere Nationen“, so Gabriel. Schon jetzt gebe es für die Unternehmen drastische Rückgänge bei den Aufträgen. Insofern teile er die Einschätzung des IHK-Präsidenten: „Wir kommen in unbequeme Zeiten.“ Als Gründe dafür nannte Gabriel neben Protektionismus und Handelskonflikten die wachsende Bedeutung Chinas in der Weltwirtschaft und die Digitalisierung. „Der Begriff Digitalisierung ist eigentlich ein Euphemismus. 150 Jahre lang hat uns die Investition ins Produkt zum Erfolg verholfen.“ Damit stelle die Digitalisierung alles auf den Kopf, was die deutsche Wirtschaft bisher gewohnt war. „Wir sehen eine Wertschöpfung weg vom Produkt hin zur Datenplattform – beherrscht von fünf amerikanischen und demnächst noch zehn chinesischen Unternehmen. Aber eben kein deutsches oder europäisches.“ Gleichwohl betonte der frühere Vizekanzler: „Digitalisierung bedeutet andere Arbeitsplätze, nicht zwangsläufig weniger.“

Gabriel appellierte an die deutsche Politik, „Geld für morgen auszugeben“.
So koste der um acht Jahre vorgezogene Braunkohleausstieg ein Vielfaches dessen, was Deutschland in Künstliche Intelligenz investiere. „Wir müssen auch andere Sachen im Blick haben und Prioritäten setzen.“ Er plädierte für eine Unternehmenssteuerreform, für die Beibehaltung des Solidarzuschlags – allerdings zugunsten von Investitionen in Ost- und Westdeutschland –, für Schulden zugunsten von Schulen und Hochschulen, für ein Gesetz zur Beschleunigung von national bedeutsamen Infrastrukturprojekten und für eine ökologische Steuerreform. „Besser, wir tun selber etwas, bevor wir unter Druck und in ökonomische Abhängigkeit geraten.“


BILDTEXT:
Der ehemalige Vizekanzler, Wirtschafts-, Außen- und Umweltminister Sigmar Gabriel sprach beim Wirtschaftsforum Impulse.     Foto: IHK