Studie: Energiewende in Deutschland

Studie: Energiewende in Deutschland
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Deutschland verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Im Jahre 2050 sollen mindestens 80 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen. Dies hat zur Folge, dass die Stromkosten künftig weitgehend aus Fixkosten bestehen. Volkswirtschaftlich ist es daher sinnvoll, die vorhandenen Infrastrukturen möglichst gut auszulasten, ohne Neubau auszulösen. Dazu kommt ein weiterer Trend: Mit dem Ausbau von Wind- und Solaranlagen wächst die Anzahl der Stunden mit geringen oder sogar negativen Strompreisen.

Die von „frontier economics“ erstellte Studie verdeutlicht nun erstmalig, wie sich beide Entwicklungen zum Vorteil deutscher Unternehmen zusammenführen lassen. Kernaussage der Analyse: Die Energiewende lässt sich als wirtschaftliche Chance für den Standort Deutschland begreifen – sofern es gelingt, deren Kostenstruktur flexibel und verursachungsgerecht zu gestalten. Dynamische Preissignale führen dabei zu effizienterer Energienutzung in Deutschland. Heute wird dagegen jede kWh in gleichem Maße mit Steuern, Netzentgelten und Umlagen belastet – vollkommen losgelöst von der Belastung der Infrastruktur.

Zeiten mit niedrigen Preisen für Wertschöpfung nutzen

Viele Prozesse in der Wirtschaft könnten von einer neuen Preisstruktur profitieren: An konkreten Fallbeispielen einer flexibleren Auslegung von Produktionsprozessen verdeutlicht die Analyse, wie günstiger Strom genutzt werden könnte. Überschussstrom kann und sollte für die inländische Wertschöpfung genutzt werden. Während ein Verkauf ins Ausland im Jahr 2015 rund 32 Euro je MWh einbrachte, erzielt die Industrie eine Wertschöpfung von durchschnittlich 2.000 Euro je MWh. Ein Mehrverbrauch im Inland bringt also einen volkswirtschaftlichen Vorteil. Der Weg dorthin führt über flexible Preissignale. Nur so können Verbraucher zu bestimmten Zeiten von geringeren Strompreisen profitieren. Im Gegenzug sollten temporäre Preisspitzen eine hohe Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur signalisieren.

 Die Studie gibt folgende Empfehlungen:

  • Die Nutzung des Überschussstroms vor allem für Wertschöpfung durch Industrie und Gewerbe muss explizites politisches Ziel werden.
  • Absolute Stromeinsparziele sollten aufgegeben werden: Mit zunehmender Umsetzung der Energiewende sinkt die Notwendigkeit, den Stromverbrauch pauschal zu reduzieren. Vielmehr ist zukünftig eine maximale Auslastung der vorhandenen Erzeugungs- und Netzkapazitäten angeraten, um Wertschöpfungs- und CO2-Minderungspotenziale zu nutzen und die Belastung der Stromverbraucher zu minimieren. Daher sollten grundsätzlich nur relative Einsparziele gesetzt werden, um industrielle Produktionssteigerungen und Sektorkopplung zuzulassen.
  • Wirtschaft bei der Energiewende mitnehmen und nicht überfordern: Wenn es gelingen soll, die sich durch die Energiewende ergebenden Chancen für den Standort zu nutzen, müssen Industrie und Gewerbe in der aktuellen Transformationsphase „mitgenommen“ werden. Dabei sind stets die in vielen Branchen bestehenden Grenzen der Anpassungsfähigkeit zu berücksichtigen: Übergangsregelungen und verlässliche langfristige Rahmenbedingungen müssen Unternehmen die Möglichkeit zur Anpassung im Rahmen ihrer regelmäßigen Investitionsentscheidungen erlauben. Dort, wo eine weitere Anpassung zum Beispiel aufgrund von internationalem Wettbewerb, produktionstechnischer Restriktionen oder übergeordneter sozialpolitischer Ziele nicht möglich ist, sind – analog zu heutigen Regelungen – entsprechende Übergangs- und Ausnahmeregelungen vorzusehen.
  • Auch Netzkunden mit kleineren Verbräuchen sollten kostenreflektierende Netzentgelte tragen. Nur so können auch diese einen Beitrag dazu leisten, durch Verringerung des Stromverbrauchs bei hoher Netzbelastung die Netzkosten im System zu senken bzw. durch Erhöhung des Stromverbrauchs bei unbelastetem Netz Nutzen bzw. Wertschöpfung zu erhöhen.
  • Für leistungsgemessene Kunden sollten Berechnungsmechanismen entwickelt werden, die den jeweiligen Beitrag eines Stromverbrauchers zur Netzbelastung adäquater reflektieren als dies heute der Fall ist.
  • Es sollte geprüft werden, wie die Höhe des Beitrags der einzelnen Stromverbraucher entsprechend der Kostenstruktur von Erneuerbaren Energien an die Leistung gekoppelt werden sollte bzw. ob übergangsweise eine zeitliche Dynamisierung der EEG-Umlage ein erster Schritt in diese Richtung darstellen kann.
  • Die Stromsteuer ist zu überdenken. Diese war ursprünglich zur Reduktion der klimaschädlichen CO2-Emissionen eingeführt worden.
  • Um das Strompreissignal zu stärken, sollten die KWK- und Offshore-Haftungsumlage in ihrer jetzigen Form so rasch wie möglich auslaufen.

Ein fairer Wettbewerb der verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der begrenzten Anpassungsfähigkeit in der Wirtschaft erzielen. Die Studie stellt klar: „Energiepolitik muss Industriepolitik sein.“