Geschäftsübernahme - betriebswirtschaftliche Aspekte

Geschäftsübernahme - betriebswirtschaftliche Aspekte
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Um eine selbständige Existenz zu gründen, muss nicht immer ein völlig neues Unternehmen errichtet werden. Auch durch

  • den Erwerb eines bestehenden Unternehmens oder
  • eine tätige Beteiligung 

können Sie sich selbständig machen. Diese Möglichkeiten dürften den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern, denn Geschäftsbeziehungen sind schon vorhanden. Die Übernahme eines Unternehmens bietet sich dann an, wenn ein Unternehmer über keinen Nachfolger verfügt. Derartige Unternehmen werden auch in der Gründerregion angeboten. 

Prüfung des Unternehmens

Wenn ein Unternehmen keinen Gewinn erwirtschaftet und/oder hohe Schulden hat, kann die Übernahme eines bestehenden Geschäftes auch gefährlich sein. Darum müssen zur Übernahme angebotene Unternehmen unter die Lupe genommen werden. Prüfen Sie z. B.

  • die allgemeine bisherige Unternehmensentwicklung (Firmenhistorie) 
  • das Produkt/den Unternehmensgegenstand: Qualitätsanforderungen, Preis, Wettbewerbsfähigkeit 
  • künftige Unternehmensentwicklungen: Sortimentsveränderungen, Patente/Lizenzen, laufende Forschung 
  • wie Lieferanten, Kunden und Wettbewerber auf den Wechsel reagieren könnten  Abhängigkeiten von Großkunden und/oder Hauptlieferanten 
  • die Entwicklung des Umsatzes, des Rohertrages bzw. des Deckungsbeitrages, der Kosten und des Gewinnes in den vergangenen fünf (mindestens drei) Jahren
  • die Gewinnerwartung aufgrund der geänderten Geschäftspolitik oder der u.U. höheren Kosten (Neuentwicklungen, neue Investitionen etc.) 
  • welche Vermögenspositionen (Anzahl, Alter, Zustand etc.) zu übernehmen und wie sie zu bewerten sind  welche zusätzlichen Investitionen bzw. Ersatzbeschaffungen erforderlich werden (auch Modernisierung) 
  • welches Personal (Anzahl, Positionen, Qualifikationen u. a.) vorhanden ist, ob es "treu bleibt" oder z. B. zum Wettbewerber abwandern könnte
  • sämtliche relevanten Verträge 


Bewertung des Unternehmens

Für die Ermittlung des Unternehmenswertes gibt es die unterschiedlichsten Methoden, welche die Berücksichtigung 

  • des Ertragswertes (Bewertung des künftigen Gewinnes bzw. des eingesetzten Eigenkapitals) bzw.
  • des Substanzwertes (Wert des Anlagevermögens und des Warenbestandes) oder Mischformen beinhalten. 

Inzwischen wird in der Praxis und auch bei den öffentlichen Kreditprogrammen zur Beurteilung der Angemessenheit des Übernahmepreises vornehmlich die Ertragswertmethode herangezogen.

In der Praxis gilt jedoch:

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Häufig sind Unternehmer, die ihren kleinen oder mittleren Betrieb verkaufen möchten, der Meinung, Gebäude sowie das Unternehmen garantieren eine Altersversorgung. Damit bringen die Verkäufer in die Verhandlungen Vorstellungen hinein, die oftmals überhöht sind. Als Existenzgründer können Sie es sich jedoch im Regelfall nicht leisten, zuviel für ein Unternehmen zu zahlen.

Ertragswertverfahren

Für den Jungunternehmer steht die tragfähige wirtschaftliche Existenz im Vordergrund. Deshalb sollte an erster Stelle der künftige Ertragswert eines Unternehmens ermittelt werden. Er wird in der Literatur jedoch unterschiedlich definiert. Nach zurzeit herrschender Auffassung beruht diese Methode auf eine Kapitalisierung künftiger Gewinne. Hierbei ist jedoch nicht der in einer (voraussichtlichen) Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Gewinn maßgebend, sondern der um außerordentliche Faktoren und den kalkulatorischen Unternehmerlohn bereinigte Gewinn zu ermitteln.

So sind zum einen die künftigen jährlichen Unternehmensgewinne zu veranschlagen und zum anderen das Geschäftsrisiko zu schätzen. Der Risikofaktor wird ermittelt, indem das zu übernehmende Unternehmen mit dem Risiko anderer Investitionstypen verglichen wird. Ist z. B. eine Branche stabil, könnte das Risiko etwa mit Bundesanleihen verglichen werden. Dazu wird häufig in Fachkreisen ein Risikozuschlag angesetzt. Denn je höher ein Risiko, umso niedriger der Kaufpreis. Anders formuliert: Der Ertragswert ist umso höher, je niedriger der Abzinsungsfaktor ist. Gehen Sie in mehreren Schritten vor:

1. Schritt 

Ermittlung des durchschnittlichen und gewichteten Gewinnes der vergangenen Jahre (hier: drei Jahre, das letzte Jahr mit der höchsten Gewichtung)  

1. Jahr:   30 T€  x 1 =     30 T€

2. Jahr:   60 T€ x 2  =  120 T€

3. Jahr:   50 T€ x 3  =  150 T€     

= 300 T€ : 6 = 50 T€ 
 
50 T€ durchschnittlicher und gewichteter Gewinn

./. 30 T€ kalkulatorischer Unternehmerlohn (nur bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften)

./. 10 T€ Eigenkapitalverzinsung und Risikoprämie

= 10 T€ Übergewinn 

2. Schritt

Angenommene Rendite für eine Bundesanleihe 4% + Risikozuschlag 11% =  15% 

3. Schritt

Der durchschnittliche Gewinn von 10 T€ p. a. wird abgezinst mit 15%:

10 T€ x 100 /15  =  71 T€ 
 
Im obigen Beispiel wäre ein Übernahmepreis nach der Kapitalisierungsmethode des Ertragswertverfahrens in Höhe von 71 T€ angemessen.
 
Bei kleineren Unternehmen, so z. B. im Einzelhandel, wird der Übergewinn häufig mit einem Rechenfaktor multipliziert. Je nach Ruf, Standort, eingeführtem Geschäftsnamen, bewährtem und verbleibendem Mitarbeiterstamm werden Sätze zwischen dem drei- und achtfachen angesetzt. Aus Einzelhandelskreisen war zu erfahren, dass die Leistung des Vorgängers häufig nach drei bis vier Jahren aufgebraucht ist. Bei derartigen Unternehmen wäre der Übergewinn mit dem Faktor drei bzw. vier zu multiplizieren. Nach der Übergewinnrechnung des Ertragswertverfahrens könnte dabei ein Übernahmepreis von (10 T€ x 4 = 40 T€) angemessen sein.
 
Substanzwertverfahren
 
Eine weitere Methode zur Errechnung eines Unternehmenspreises ist die Bewertung der Vermögensbestände (Aktiva). Das Anlagevermögen besteht meistens aus Maschinen, Anlagen, Einrichtungen, dem Lagerbestand etc.
 
Die Substanzwertberechnung orientiert sich an den Aufwendungen, die erforderlich wären, um ein Unternehmen gleicher Art zu errichten. Es sind also die Wiederbeschaffungskosten für die Vermögensgegenstände anzusetzen. Bekannt ist aber, dass niemand für zwei Unternehmen, die den gleichen Substanzwert haben, aber durch z. B. unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse abweichende Gewinne erzielen, denselben Wert ansetzt.
 
Beim Vergleich des Ertragswertverfahrens und des Substanzwertverfahrens ist zu berücksichtigen, dass der Verkäufer eines Unternehmens mit negativen Ertragswert wohl kaum bereit sein dürfte, sein Unternehmen unter dem Substanzwert abzugeben. 
 
Abschließend ist allgemein zu sagen, Bewertungsverfahren sind weder richtig noch falsch. Der Unternehmenswert stellt keine feste Größe dar. Auch der häufig vom Verkäufer in Anlehnung an die Wertermittlung des sog. Stuttgarter Verfahrens geforderte Preis bindet die Parteien nicht. Der hier angesprochene Existenzgründer muss die für ihn wirtschaftlich tragbare Methode finden. Fehleinschätzungen und damit ein zu hoher Übernahmepreis können nämlich die betriebliche und private Existenz bedrohen.