23. Mönchengladbacher Wirtschaftsgespräche

23. Mönchengladbacher Wirtschaftsgespräche
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Stand: 30.10.2015

Dass Verwaltungstätigkeiten höher angesehen werden als praktische Arbeit, kann Hans Rudolf Wöhrl nicht nachvollziehen: „Menschen, die vor der Arbeit duschen, verdienen mehr als Menschen, die nach der Arbeit duschen – das kann doch nicht richtig sein.“ Der 68-jährige Unternehmer aus Franken sprach bei den 23. Mönchengladbacher Wirtschaftsgesprächen. Dazu hatten die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach GmbH (WFMG), die Rheinische Post und die Stadtsparkasse Mönchengladbach in den Hugo Junkers Hangar eingeladen.

„Höher, schöner, billiger – Wohin steuert unsere Konsumgesellschaft?“ lautete der Titel seines Vortrags, den Wöhrl mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Unternehmerleben anreicherte. Bereits während seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann hatte er eine eigene Modeboutique gegründet, die sich schnell zu einer der umsatzstärksten Boutique-Linien im Land entwickelte. 1970 übernahm er das elterliche Unternehmen mit fünf Modefilialen. 2002 gab es 40 Wöhrl-Häuser. 2003 kaufte der passionierte Flieger Wöhrl für die symbolische Summe von einem Euro die bankrotte British-Airways-Tochter Deutsche BA. Nach der Sanierung verkaufte er die Airline für 120 Mio. Euro an Air Berlin.

Wöhrl schilderte, wie er die defizitäre Deutsche BA mit Hilfe der Mitarbeiter wieder in die Gewinnzone steuerte. „Heute entscheidet viel zu oft die Börse über die Zukunft eines Unternehmens“, beklagte Wöhrl. Firmen würden leider nur noch nach ihren Zahlen beurteilt. „Sicherlich, ein Kaufmann muss immer rechnen.“ Aber Unternehmer müssten auch Niederlagen einstecken und kämpfen können.

Wöhrl hielt ein flammendes Plädoyer für die Wertschätzung von praktischer Arbeit und Dienstleistungsbereitschaft. „Die Tätigkeit von Menschen, die etwas produzieren oder gestalten, ist leider oft nicht so angesehen wie das Verwalten.“ Um die produzierenden Menschen „bei Laune“ zu halten, würden Konsumgüter immer billiger. „Inzwischen wissen viele den Wert von Produkten und Dienstleistungen nicht mehr zu schätzen.“ Die Folge sei ein verbreiteter Trend zur „Verramschung“. Das ginge letztlich zu Lasten der Menschen, die Dienstleistungen erbringen oder im produzierendem Gewerbe arbeiten. Gute Arbeit müsse auch gut entlohnt werden, erklärte Wöhrl.

Dem stimmten IHK-Präsident Heinz Schmidt und Mönchengladbachs Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners zu. Beide stellten sich den Fragen von RP-Redaktionsleiter Ralf Jüngermann. Schmidt betonte die positive Entwicklung der Stadt: „Wir haben ein gewachsenes und vertrauenvolles Miteinander von Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Mönchengladbach. Die Stadt sollte bei diesem Kurs bleiben.“ Reiners freute sich über das Engagement der Unternehmer, die „mit Herzblut hinter ihrer Stadt stehen“.

Bildtext: Bei den Mönchengladbacher Wirtschaftsgesprächen hielt der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl ein flammendes Plädoyer für die Wertschätzung von praktischer Arbeit und Dienstleistungsbereitschaft.