IHK-Präsidium diskutiert mit Landtagsabgeordneten

IHK-Präsidium diskutiert mit Landtagsabgeordneten
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Stand: 04.03.2016

„Von der guten Konjunktur sollte man sich nicht blenden lassen,  Nordrhein-Westfalen steht vor großen strukturellen Herausforderungen“, erklärte Heinz Schmidt, Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein. „Die Infrastruktur ist in einem desolaten Zustand, der demografische Wandel wird den Fachkräftemangel noch verschärfen, und die Haushaltslage des Landes ist prekär – trotz sprudelnder Steuereinnahmen.“ Mit diesen Worten begrüßte Schmidt Landtagsabgeordnete von CDU und FDP aus dem Kammerbezirk zum Gedankenaustausch mit dem IHK-Präsidium. Lutz Lienenkämper, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalens, teilte die Einschätzung des IHK-Präsidenten: „Ob bei der Digitalisierung, bei den notwendigen Investitionen in Straßen, Brücken und Schienen, bei Energie- oder der Bildungspolitik – es gibt viele Bereiche, in denen NRW besser werden muss.“ Bei erfolgreicher Wirtschaftsförderung komme es nicht darauf an, neue teure Förderprogramme auf den Weg zu bringen, sondern es gehe darum, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen so zu verbessern, dass die Wirtschaft sich entwickeln könne.

Zum Auftakt des Meinungsaustauschs diskutierten Politiker und Unternehmer über den Breitbandausbau im Land. „Eine leistungsfähige Internetanbindung ist heute mehr denn je zum harten Standortfaktor für Unternehmen geworden“, betonte IHK-Vizepräsident Elmar te Neues. „Die Zielmarke von 50 Mbit/s ist aus Sicht der Wirtschaft zu gering, denn die Datenvolumina werden weiter steigen.“ Das IHK-Präsidium appellierte an die Abgeordneten, sich beim Breitbandausbau in den Gewerbegebieten des Landes für Glasfasertechnologie einzusetzen. Die Abgeordneten teilten die Einschätzung, dass in NRW eine Vielzahl von Gewerbegebieten unterversorgt und Glasfasertechnologie die beste Lösung sei.

IHK-Vizepräsident Dr. Norbert Miller sprach die Finanzmisere der Kommunen an: „2015 beliefen sich ihre Jahresfehlbeträge auf insgesamt  140 Mio. Euro. Die entscheidende Ursache für das Dilemma ist die Kostenexplosion im Sozialbereich.“ Die reflexartigen Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer seien keine Lösung. „Das Konnexitätsprinzip muss wieder gelten“, forderte Miller. „Wer ein Gesetz beschließt, muss auch die Kosten tragen.“ Dem stimmten die CDU- und FDP-Abgeordneten zu. Für Dietmar Brockes (FDP) sind die „schuldenfinanzierte Umverteilungspolitik und ausufernde Bürokratie“ die schwerwiegendsten Kostentreiber. Das IHK-Präsidium teilte die Einschätzung des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk (CDU), dass NRW „kein Einnahmen, sondern ein Ausgabenproblem“ habe.

Problematisch entwickelt sich in den Augen von Heinz Schmidt derzeit auch der Trend zur „Überakademisierung“ in der Gesellschaft: „Unser System der dualen Ausbildung ist ein Erfolgsmodell, um das uns andere Länder beneiden“, erklärte der IHK-Präsident. „Um die Attraktivität dieses Systems und seiner Chancen herauszustellen, benötigt die Wirtschaft die Unterstützung der Politik.“ Die überproportionale Förderung der Hochschulen müsse zurückgefahren und stattdessen verstärkt in die Ausstattung der Berufsschulen investiert werden. „Dem allgemeinen Trend zur Akademisierung muss gesamtgesellschaftlich begegnet werden“, entgegnete Dr. Stefan Berger (CDU). „Es muss wieder Konsens werden, dass die Berufsausbildung im dualen System Karrieren eröffnet und zu einem erfüllten Leben führt.“

Mit Blick auf den derzeitigen Flüchtlingszuzug sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz: „Die Wirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zur beruflichen Integration zu leisten.“ Dazu seien die Betriebe allerdings nur in der Lage, wenn die Politik die Voraussetzungen dafür schaffe: „Es muss ein geordnetes Verfahren bei der Erstaufnahme geben, die Prüfung des Status‘ sollte beschleunigt und die Integration der anerkannten Asylbewerber durch Förderung der Sprach- und kulturellen Kompetenz vorangetrieben werden.“ Die Abgeordneten waren einer Meinung, dass Sprach- und Berufsvorbereitungskurse sowie die Bereitschaft der Unternehmen, Ausbildungs-, Praktika- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, von großer Bedeutung für das Gelingen der Intergration sei. „Wir müssen flexibler, schneller und unbürokratischer werden“, erklärte Lutz Lienenkämper. „Es muss besser über die verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten informiert werden, Ausbildungsbeihilfen sollten gestreckt, Verfahrensvorschriften für die Berufsausbildung entbürokratisiert werden.“

Auch über Infrastruktur und Gewerbeflächenverfügbarkeit diskutierten die Wirtschaftsvertreter mit den Landtagsabgeordneten. IHK-Vizepräsident Dr. Erich Bröker kommentierte die zweite Fassung des Landesentwicklungsplans (LEP): „Auffällig ist, dass in den Kapiteln, in denen die Belange der Wirtschaft beschrieben werden, konsequent auch Regelungen zum Klimaschutz und zur Flächeninanspruchnahme enthalten sind.“ Es werde der Eindruck erweckt, dass diese Maßgaben den wirtschaftlichen Belangen übergeordnet seien. Bröker: „Diese Einschränkungen sollten in der Endfassung nicht mehr enthalten sein.“ Optendrenk teilte diese Einschätzung: „Wir brauchen ein Entwicklungs- und kein Verhinderungsprogramm.“

Auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Energiewende appellierte das IHK-Präsidium an die Adresse der Politik, die Bedürfnisse der Unternehmen nicht aus den Augen zu verlieren. „Aufgrund der natürlichen Braunkohlevorkommen entlang der Rheinschiene war Energie hier immer preisgünstig, sicher und verfügbar“, erläuterte IHK-Vizepräsident Dr. Stefan Dresely. „Deshalb hat sich insbesondere hier eine energieintensive Industriekultur herausgebildet, die uns bis heute prägt.“ Die Politik des Landes sollte sich an einem Gleichgewicht der drei energiepolitischen Zielsetzungen – Wirtschaftlichkeit , Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit – orientieren. „In Ergänzung zu den Erneuerbaren Energien sind wir weiterhin auf fossile Energieträger angewiesen“, betonte Dresely.

Diese Einschätzung teilte Brockes. Die Braunkohle sei der einzige subventionsfreie Energieträger des Landes, erklärte er. Jetzt werde auch noch die Braunkohle zum Subventionsempfänger gemacht. Das Erneuerbare Energiengesetz müsse dringend abgeschafft werden. „Wir brauchen einen neuen Energiemarkt, damit sich die Energieerzeugung wieder rechnet“, stimmte Dresely zu und sagte abschließend: „Wir stehen vor großen Herausforderungen – da sollten wir nicht an dem Ast sägen, auf dem wir alle sitzen. Nordrhein-Westfalen ist abhängig von der Leistungsfähigkeit seiner Industrie.“

Zu einem solchen Gespräch lädt die IHK regelmäßig nicht nur die Abgeordneten von CDU und FDP, sondern auch anderer im Landtag vertretenen Parteien ein.

Bildtext: Sie trafen sich zum Gedankenaustausch: Lutz Lienenkämper (CDU), IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, IHK-Präsident Heinz Schmidt, IHK-Vizepräsident Elmar te Neues (vordere Reihe v.l.), Dietmar Brockes  (FDP), Dr. Stefan Berger (CDU), Dr. Marcus Optendrenk (mittlere Reihe, v.l.), Andreas Terhaag (FDP), IHK-Vizepräsident Dr. Erich Bröker, IHK-Vizepräsident Friedrich W. Scholz, IHK-Vizepräsident Dr. Stefan Dresely und IHK-Vizepräsident Dr. Norbert Miller (hintere Reihe v.l.).