Ist der deutsche Exporterfolg in Gefahr?

Ist der deutsche Exporterfolg in Gefahr?
© IHK Mittlerer Niederrhein

Diese Meldung stammt aus dem Archiv und ist möglicherweise nicht mehr aktuell.

Stand: 27.10.2017

Großbritannien verlässt die EU, US-Präsident Trump proklamiert die Abschottung der amerikanischen Wirtschaft, und der Welthandel hat spürbar an Fahrt verloren – ist der deutsche Exporterfolg in Gefahr? Darüber referierte Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, im Forum der Sparkasse Neuss. Rund 230 Unternehmer waren der Einladung zum Strategieforum Außenwirtschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, der Sparkasse Neuss und des Rhein-Kreises Neuss gefolgt. „54 Prozent des Umsatzes der Unternehmen in unserer Region wird im Ausland erwirtschaftet – das Thema ist für uns also von großer Bedeutung“, sagte IHK-Vizepräsident Christoph Buchbender, der gemeinsam mit Kreisdirektor Dirk Brügge und dem Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden Michael Schmuck die Gäste begrüßte.

Fuest teilte diese Einschätzung und betonte: „Deutschland insgesamt ist auf den Export angewiesen.“ Die Situation derzeit sei widersprüchlich. „Einerseits ist die Lage Deutschlands gut, die Konjunkturprognosen sind sehr positiv und die Beschäftigungsquote erreicht ein Rekordniveau, andererseits machen wir uns große Sorgen, dass es nicht mehr so weitergeht“, erklärte Fuest. Es gebe zweifellos politische Entwicklungen, die den freien internationalen Handel in Frage stellen. Der Rechtsrahmen der Welthandelsorganisation (WTO) werde von „Trump und Co.“ in Frage gestellt. Gleichzeitig stehe die Europäische Union an einem Wendepunkt: „Erstmals in ihrer Geschichte verlässt ein Staat den Bund wieder.“ Alle diese Tendenzen führten zu Unsicherheiten, erläuterte der ifo-Chef. „Das wiederum führt dazu, dass Unternehmen eher abwarten und die Konjunktur international gebremst wird.“

Fuest berichtete von der Simulation eines deutsch-amerikanischen Handelskriegs durch die Wissenschaftler des ifo Instituts. „In einem Szenario sind wir von amerikanischen Zöllen in Höhe von 30 Prozent ausgegangen – das Ergebnis war erstaunlich.“ Demnach sanken die Exporte deutscher Unternehmen in die USA zwar um 30 Prozent, andererseits brachen die Exporte der USA in die Welt um 60 Prozent ein. Laut den Berechnungen des ifo Instituts würde in diesem Szenario das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA um 7 Prozent sinken, das deutsche BIP dagegen um 0,3 Prozent. „Angesichts dieser Zahlen gehe ich davon aus, dass die amerikanische Regierung keinen Handelskrieg provozieren wird – vorausgesetzt, die amerikanische Regierung verhält sich rational“, sagte Fuest, der für einzelne Branchen und Wirtschaftszweige dennoch protektionistische Aktionen von Seiten der USA erwartet.

Mit Blick auf den Brexit bemerkte Fuest: „Alle Beteiligten werden verlieren – die Frage ist, wie viel.“ Etwa ein Prozent seines BIP verdanke Deutschland dem Handel mit Großbritannien. „Am Ende wird es vermutlich auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich hinauslaufen“, sagte Fuest. „Wichtig ist, dass man sich auf eine Übergangsfrist einigt.“ Angesichts der zum Teil recht emotionalen Debatte um noch offene Zahlungen Großbritanniens an die EU appellierte Fuest für mehr Gelassenheit: „Diese Summe sollte verhandelbar sein, beide Seiten haben doch ein massives gemeinsames Interesse an einer tragfähigen Lösung.“

Zum Abschluss seines Vortrags gab der Ökonom der Politik noch einige Ratschläge mit auf den Weg, wie das deutsche Export-Erfolgsmodell bewahrt werden kann: „Stärken und schützen Sie die Welthandelsorganisation, multilaterale Regelungen sind besser als bilaterale.“ In diesem Kontext komme es darauf an, dass in Zukunft mehr Gewinner von Freihandel und Globalisierung profitieren als bisher. Dafür seien die Weichen zu stellen. Auch die Handelskompetenz der Europäischen Union gelte es zu bewahren. Die EU insgesamt habe auf der internationalen Bühne ein vielfach größeres Gewicht als Deutschland allein. „Wir brauchen eine Politik, die einerseits kooperativ mit unseren Partnern agiert, andererseits aber auch selbstbewusst die Interessen der deutschen Unternehmen vertritt.“

Im Anschluss diskutierte Fuest mit Dr. Dirk Burger, CEO der Trützschler GmbH & Co. KG in Mönchengladbach, Dr. Pascal Wagner, Sprecher der Geschäftsführung der Hydro Aluminium Deutschland GmbH in Grevenbroich, und Nick Leake, stellvertretender britischer Botschafter, unter anderem über den Brexit. Die Runde war sich einig, dass die Unternehmen Planungssicherheit bräuchten. Unsicherheiten über lange Zeiträume seien Gift für die Konjunktur. Die Unternehmensvertreter und der Diplomat appellierten gemeinsam dafür, zwischen Großbritannien und der EU demnächst keine neuen Handelsbarrieren aufzubauen.

Bildtext 1: Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, sprach im Forum der Sparkasse Neuss. Rund 230 Unternehmer waren der Einladung zum Strategieforum Außenwirtschaft gefolgt.     Foto: IHK

Bildtext 2: Gastgeber und Referenten des Strategieforums Außenwirtschaft (v.l.): Heinz G. Stüwe (Moderator, Germany Trade & Invest), Michael Schmuck (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Neuss), Dr. Pascal Wagner (Sprecher der Geschäftsführung der Hydro Aluminium Deutschland GmbH), Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein), Prof. Clemens Fuest (Präsident des ifo Instituts), Dirk Brügge (Kreisdirektor, Rhein-Kreis Neuss), Nick Leake (stellvertretender britischer Botschafter), Dr. Dirk Burger (CEO der Trützschler GmbH & Co. KG) und Christoph Buchbender (Vizepräsident der IHK Mittlerer Niederrhein).       Foto: IHK