Betriebe geben der Region eine 2 minus

Betriebe geben der Region eine 2 minus
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Stand: 01.02.2018

Die Unternehmen der Region geben dem Wirtschaftsstandort Mittlerer Niederrhein die Schulnote 2 minus. Sie sind insgesamt zufrieden mit dem Standort, sehen allerdings in Einzelbereichen durchaus Verbesserungspotenzial. Das sind die wesentlichen Ergebnisse einer Studie zur Wirtschaftsstruktur und Standortqualität des Mittleren Niederrheins, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein gemeinsam mit der Hochschule veröffentlicht hat. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Region von einem weitgehend gesunden Branchenmix profitiert“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Handlungsbedarf sehen die Unternehmen beispielsweise bei der Breitbandinfrastruktur sowie bei den kommunalen Kosten und Leistungen.

„Die Beschäftigungsentwicklung und die Entwicklung der Bruttowertschöpfung verlief in der Region zuletzt etwas schlechter als im Land Nordrhein-Westfalen“, erklärt der Regionalökonom Prof. Rüdiger Hamm von der Hochschule Niederrhein, der im Auftrag der IHK die Wirtschaftsdaten der Region analysiert hat. Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer könnten insbesondere neue Gewerbeflächen dafür sorgen, dass sich die Region besser als der Landesdurchschnitt entwickelt. Schließlich scheitern mögliche Unternehmensansiedlungen häufig am Mangel an passgenauen Gewerbeflächen. Steinmetz empfiehlt den Kommunen, die Chancen, die der neue Regionalplan bietet, auch zu nutzen: „Die Kommunen sollten alle Kraft darauf verwenden, die Flächen im Regionalplan schnellstmöglich in örtliches Planungsrecht umzusetzen und baureif zu machen.“

Mit Blick auf die Wirtschaftsstruktur zeigt sich, dass insbesondere die distributiven Dienste – zum Beispiel Verkehrsdienstleister und Großhändler – nach wie vor von großer Bedeutung am Mittleren Niederrhein sind. 15 Prozent der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gehen einer Tätigkeit in dieser Branchengruppe nach. In NRW liegt der Anteil bei 10,4 Prozent – Tendenz sinkend.

Deutlich erkennbar: Das Wachstum des Dienstleistungssektors hat auf Kosten der Industrie hat am Mittleren Niederrhein Fahrt aufgenommen. Der Beschäftigtenanteil der Industrie in der Region liegt mit 20,5 Prozent genau auf dem Niveau des Bundeslands und deutlich unter dem Wert des Jahres 2008 (24,1 Prozent). „Wir machen diese Struktur- und Standortanalysen seit den 90er-Jahren in einem Fünf-Jahres-Rhythmus“, erklärt Hamm. „Bisher war der Industrieanteil an der Gesamtbeschäftigung am Niederrhein immer etwas höher als in NRW. Zum ersten Mal liegen die Werte gleichauf.“ Der Ökonom weist auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Industriezweigen hin: Zwar konnten Branchen wie die Chemische Industrie seit 2008 ihre Beschäftigtenzahl deutlich erhöhen. Auf der anderen Seite mussten Druckereien und Metallererzeuger einen spürbaren Beschäftigungsrückgang hinnehmen.

Neben der Analyse der Wirtschaftsstruktur umfasst die Studie auch eine breit angelegte Unternehmensbefragung der IHK zu Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandorts. Etwa 1.200 Unternehmen haben geantwortet und knapp 60 Standortfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Betrieb und ihrer Qualität vor Ort bewertet.

Die Betriebe geben der Standortqualität in der Region im Schnitt die Schulnote 2 minus. 58 Prozent der Betriebe bewerten den Standort mit einer Note von 1 oder 2. Eine 3 oder 4 vergeben 39 Prozent der Unternehmen. Nur für knapp drei Prozent der Gewerbetreibenden sind die Bedingungen in der Region nicht mehr ausreichend. „Dass die Unternehmen insgesamt zufrieden mit dem Standort sind, liegt vor allem an der Verkehrsinfrastruktur“, erläutert der IHK-Hauptgeschäftsführer. Besonders die Straßeninfrastruktur und die Erreichbarkeit über den Luftverkehr erreichen gute Werte. Das dichte Autobahnnetz macht die Region zu einem Top-Standort für Logistikdienstleister. „Diese Stärke muss gepflegt werden“, ergänzt Steinmetz. „Daher sollten die im Bundesverkehrswegeplan beschriebenen Maßnahmen zum Straßenausbau zügig in Angriff genommen werden.“ Schließlich sei das Straßen- und Autobahnnetz bei der vergangenen Analyse im Jahr 2012 von den Unternehmen noch besser beurteilt worden.

Kritischer als noch im Jahr 2012 bewerten die Betriebe mittlerweile auch die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, insbesondere die Internetleistung. „Eine leistungsfähige Breitbandanbindung ist mittlerweile der wichtigste Standortfaktor. Die Städte und Gemeinden sollten eine gut ausgebaute Breitbandinfrastruktur als Thema der Daseinsvorsorge betrachten“, appelliert Steinmetz und fordert eine verstärkte Anstrengung aller Beteiligten zur Lösung dieses Problems.

Die Arbeitsmarktfaktoren erhalten im Schnitt eine ordentliche Bewertung. Mit dem Angebot an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind die Unternehmen zufrieden. Allerdings werden die Verfügbarkeit und die Qualifikation der lokalen Arbeitskräfte kritisch betrachtet. „Auch diese Analyse zeigt, dass sich der Fachkräftemangel in der Region verstärkt“, erklärt Steinmetz. Der Standortfaktor „Verfügbarkeit von Arbeitskräften“ wurde zuletzt im Jahr 2003 von den Betrieben vergleichbar kritisch bewertet.

Verbesserungspotenzial sehen die Unternehmen auch bei den kommunalen Kosten und Leistungen. „Der Gewerbesteuerhebesatz ist aus Sicht der Betriebe der drittwichtigste Standortfaktor und damit für die Ansiedlung von Unternehmen von großer Bedeutung“, sagt Steinmetz. „Dieser Standortfaktor wird schlechter bewertet als noch vor fünf Jahren.“ Die IHK führt dies darauf zurück, dass seit dem Jahr 2012 zwölf der neunzehn Kommunen am Mittleren Niederrhein den Gewerbesteuerhebesatz erhöht haben. „Dies hat die Standortqualität geschwächt“, ergänzt Steinmetz. Gleichzeitig werden wichtige Servicefaktoren wie die behördlichen Reaktionszeiten und die Kooperation der Ämter untereinander aus Sicht der Betriebe auf dem gleichen zufriedenstellenden Niveau bewertet wie vor fünf Jahren. „Da ist noch Luft nach oben“, erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer, der dafür wirbt, dass die Städte und Gemeinden in der Kommunalverwaltung eine One-Stop-Agency einrichten. Dabei handelt es sich um eine Verwaltungsstelle, die Unternehmen bei Behördengängen etwa bei Bauprojekten zur Seite steht.

Die Standortanalyse mit allen Ergebnissen ist abrufbar unter:
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/17641