Wirtschaftsforum im Schloss

Wirtschaftsforum im Schloss
© IHK Mittlerer Niederrhein

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Stand: 20.04.2018

Die Zukunft der Europäischen Union (EU) und der Euro-Zone steht momentan ganz oben auf der Agenda von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Donnerstag hatte sie Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, um sich mit ihm über seine EU-Pläne auszutauschen. Am Abend zuvor hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein zusammen mit der Rheinischen Post nach Willich zum „Wirtschaftsforum im Schloss“ eingeladen. Und auch dort stand die „Zukunft der Euro-Zone“ auf der Agenda. Prof. Dr. Ansgar Belke, der zu den Top 20 der forschungsstärksten Ökonomen in Deutschland zählt, referierte vor mehr als 100 Gästen über Herausforderungen und Lösungsansätze.

„Die konjunkturelle Lage des Jahres 2017 täuscht darüber hinweg, dass die strukturellen Probleme des gemeinsamen Währungsraums nach wie vor vorhanden sind“, sagte IHK-Präsident Elmar te Neues zur Begrüßung. „Die Länder der Euro-Zone haben sich seit Einführung der Gemeinschaftswährung einfach zu unterschiedlich entwickelt.“ Vor allem Spanien, Griechenland und Italien seien nicht wettbewerbsfähig genug, um dauerhaft wirtschaftlich zu gesunden. „Immerhin wird zurzeit eifrig über Reformideen diskutiert“, so te Neues. „Man muss nicht in jedem Punkt die Meinung von Emmanuel Macron teilen. Aber durch den Wechsel im Elysee-Palast hat die EU-Debatte neuen Schwung bekommen.“ Allerdings müsse nun „aus eifrigen Diskussionen Reformeifer werden“.

Prof. Dr. Ansgar Belke bot seinen Zuhörern einen Rückblick auf die Anfänge der Wirtschafts- und Währungsunion und eine Einordnung der momentan diskutierten EU-Reformpläne. Dabei konnte er auch viele persönliche Eindrücke einfließen lassen. Denn Belke, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre – insbesondere Makroökonomik – und Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, ist seit 2012 Jean-Monnet-Professor. Das Jean-Monnet-Programm ist eine EU-Initiative, die Lehre, Forschung und Reflexion zur europäischen Integration an den Hochschulen fördern soll. Daneben arbeitet Belke unter anderem am Center for European Policy Studies in Brüssel und als Gastprofessor am Europa-Institut der Universität des Saarlandes.

„Der Zeitpunkt für dieses Wirtschaftsforum könnte nicht besser sein“, sagte er. „Macron wirbt momentan massiv für seine Zukunftsvision von Europa, und es ist sein Verdienst, dass er diese längst überfällige Diskussion angestoßen hat.“ Banken- und Schuldenkrise, der Brexit und der Auftrieb der Populisten haben den Kontinent ins Straucheln und die EU sowie ihre Institutionen in die Kritik gebracht. Der französische Präsident fordert als Reaktion ein wirtschaftlich stabileres, außenpolitisches schlagkräftiges und nach innen besser integriertes Europa. Dafür schlägt er unter anderem einen eigenen EU-Haushalt mit einem gemeinsamen Finanzminister, die Vollendung der Bankenunion inklusive gemeinsamer Einlagensicherung und den Umbau des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Währungsfonds (EWF) vor, um sich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unabhängig zu machen.

Dass die Europäische Union und auch die Einführung des Euro von Anfang an vor allem ein politisches und kein ökonomisches Projekt waren, machte Belke in seinem Vortrag deutlich. „Damit sind die Marktmechanismen außer Kraft gesetzt“, sagte er. „Die Marktsteuerung haben die politischen Institutionen übernommen.“ Die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten sei einfach zu unterschiedlich, „das kann auch ein europäischer Finanzminister nicht beheben“. Und ein gemeinsames Investitionsbudget für die Euro-Zone käme der Resignation vor den fehlenden Marktmechanismen gleich und würde zu permanenten Transfers führen. „Der Vorschlag, einen EWF einzurichten, ist meiner Meinung nach dagegen richtig, wenn die nationalen Parlamente einbezogen werden. Denn die EU muss von IWF und Europäischer Zentralbank unabhängig sein und ihre Probleme selber regeln könne.“

Laut Belke ist es wichtig zu akzeptieren, dass es ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten gibt – auch bei der Erweiterung der Euro-Zone. „Das ist doch okay, so lange sie für alle offenbleibt.“

Bildunterschrift:

Gruppe:
Begrüßten mehr als 100 Gäste zum „Wirtschaftsforum im Schloss“ (v.l.): der Referent Prof. Dr. Ansgar Belke, Willichs Bürgermeister Josef Heyes, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und IHK-Präsident Elmar te Neues.                        Foto: IHK Mittlerer Niederrhein

Belke:
„Der Vorschlag, einen Europäischen Währungsfonds einzurichten, ist meiner Meinung nach richtig, wenn die nationalen Parlamente einbezogen werden“, sagte Prof. Dr. Ansgar Belke.    Foto: IHK Mittlerer Niederrhein