Öffnungsperspektiven für die Wirtschaft

Öffnungsperspektiven für die Wirtschaft
© IHK Mittlerer Niederrhein

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Stand: 15.03.2021

„Wann und unter welchen Umständen kann ich wieder Gäste empfangen? Wann kann ich mein Geschäft wieder rentabel betreiben?“ Diese Fragen stellen sich derzeit tausende Unternehmerinnen und Unternehmer auch in der Region Krefeld, Mönchengladbach, Rhein-Kreis Neuss und Kreis Viersen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hat daher Dr. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, zum digitalen Dialog mit Vertretern besonders betroffener Branchen eingeladen. Stamp hatte ein detailliertes Konzept zur Wiedereröffnung der Wirtschaft vorgelegt.

Zu Beginn der intensiven Debatte verdeutlichte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz die Position der Industrie- und Handelskammer: „Für uns war das Ergebnis aus der Bund-Länder-Konferenz nicht ausreichend.“ Einzelhandel und Außengastronomie hätten aus IHK-Sicht direkt öffnen dürfen. Wenig Verständnis hat der IHK-Hauptgeschäftsführer dafür, dass Branchen wie die Veranstaltungswirtschaft oder die Touristiker immer noch keine Öffnungsperspektive haben.

Der stellvertretende Ministerpräsident teilte diese Einschätzung. „Ich hätte mir auch mehr Freiheiten gewünscht“, sagte Stamp. „Immerhin konnten wir einen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Diskussion erreichen: Die Null-Covid-Strategie und die Fokussierung allein auf den Inzidenzwert wurde aufgegeben.“ Für Stamp kommt es jetzt vor allem auf drei Instrumente der Pandemiebekämpfung an: Impfungen, mehr und vor allem personalisierte Tests und neue digitale Lösungen. „Wir wollen am 22. März einen Öffnungsschritt für Gastronomie und Handel vollziehen“, sagte Stamp mit Blick auf die kommende Bund-Länder-Konferenz. „Allerdings wird der derzeitige Anstieg der Infektionszahlen weitere Lockerungen massiv erschweren.“

Für den Gastronom Antonios Arabatzis, Geschäftsführer der Krefelder Gaststätte Gleumes, sind die derzeitigen Öffnungsszenarien keine wirklichen Perspektiven. „Wir haben Hygienekonzepte, wir kontrollieren die Abstände der Tische und Gäste zueinander, wir achten darauf, dass sich alle verantwortungsvoll verhalten“, so Arabatzis, der sich auch als DEHOGA-Vorsitzender in Krefeld engagiert. „Ich erwarte, dass die steigende Zahl der Impfungen bei den diskutierten Öffnungsszenarien eine Rolle spielt. Wir brauchen eine echte Perspektive.“ Die Öffnung der Außengastronomie und die Reservierung mit Schnelltests alleine seien keine tragfähige Lösung für die Branche.

Einen kompletten Geschäftsausfall hat auch die Reisebranche zu beklagen. „Die Politik ignoriert unsere Notsituation“, sagte Dr. Ute Dallmeier, Geschäftsführerin des FIRST Reisebüros in Mönchengladbach. „Das organisierte Reisen ist kein Pandemie-Treiber.“ Sie wünscht sich von der Regierung einen sensibleren Umgang mit Reisewarnungen und die Einführung von Impfpässen. „Das würde auch dazu beitragen, dass Geschäftsreisen wieder möglich werden.“

Mehr Möglichkeiten und vor allem eine echte Perspektive wünscht sich auch Michael Baas, Betreiber von Mrs.-Sporty-Fitnessstudios in Korschenbroich und Willich. „Wir haben 20 Prozent unserer Mitglieder verloren. Gleichzeitig konnten wir in der für uns wichtigsten Marketing-Phase im Frühjahr keine neuen Mitglieder gewinnen.“ Das Einkommen tendiere gegen null. „Wir haben Hygiene-Konzepte, digitales Einchecken und Nachverfolgung“, erinnerte Baas.

„Die Lage ist dramatisch.“ Mit diesen Worten brachte Christoph Borgmann, Inhaber von Sport Borgmann in Krefeld und Mitglied der IHK-Vollversammlung, die Situation der Händler auf den Punkt. „Wir sind seit zwölf Wochen ohne nennenswerte Einnahmen.“ Dass der Buchhandel geöffnet habe und beim Discounter die Menschen dicht gedrängt in der Schlange stünden, gleichzeitig der übrige Handel nicht öffnen dürfe, sei nicht nachvollziehbar. „Was mich besonders stört, ist die Unfähigkeit in diesem Land, digitale Lösungen, etwa bei der Nachverfolgung, auf die Beine zu stellen“, betonte Borgmann.

Dirk Schmidt-Enzmann, Geschäftsführer des Event-Unternehmens Media Spectrum GmbH & Co. KG in Willich, wies darauf hin, dass es seit mindestens einem halben Jahr viele sinnvolle Lösungen gebe, die dazu beitragen könnten, Öffnungen zu erleichtern: Digitale Lösungen zur Anmeldung, Terminvergabe und Erfassung von Besucherzahlen sowie Luftreinigungssysteme und nicht zuletzt Schnelltests. „Ich möchte alle Beteiligten dazu ermuntern: Machen Sie nicht das minimal Mögliche, das von der Politik vorgegeben wird, sondern machen Sie das ihnen maximal Mögliche, damit die Wiederöffnung der Wirtschaft nicht nur ein kurzes Aufbäumen vor dem nächsten Lockdown wird“, appellierte Schmidt-Enzmann. „Wir wollen doch alle nicht einen zweiten Sommer verlieren.“

Genau darum gehe es, betonte Steinmetz zum Abschluss und appellierte an den Minister, die Sorgen, Nöte und Anregungen der betroffenen Unternehmen in die politischen Beratungen zu tragen. Stamp versicherte zum Abschluss der Diskussion, sich für weitere, verantwortungsvolle Öffnungsmöglichkeiten für die Wirtschaft einzusetzen.

Bildtext: Jürgen Steinmetz (r.), Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, und Gregor Werkle (l.), Leiter des IHK-Bereichs Wirtschaftspolitik, tauschten sich mit Dr. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, und von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Unternehmen aus.    Foto: IHK