Bundesverkehrswegeplan: Diskussion mit Staatssekretär

Bundesverkehrswegeplan: Diskussion mit Staatssekretär
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Stand: 15.07.2016

„Wir wollen bei Ihnen Verständnis dafür wecken, dass die nieder-ländischen und belgischen Seehäfen für Deutschland insgesamt, aber vor allem für das Rheinland eine große Bedeutung haben. Gleichzeitig steht die Region vor der großen Herausforderung, wachsende Transitverkehre bewältigen zu müssen.“ Mit diesen Worten begrüßte Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, Enak Ferlemann. Der Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur war einer Einladung der IHK-Initiative Rheinland gefolgt, um in Berlin mit einer Unternehmerdelegation und Bundestagsabgeordneten aus dem Rheinland über den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) zu diskutieren. „Wir wollen mit Ihnen nicht über Einzelprojekte disku-tieren, uns geht es darum, das Rheinland insgesamt zu betrachten“, erklärte Steinmetz. „Wir sehen für den Bundesverkehrswegeplan durchaus noch Verbesserungspotenzial.“

Um diese Einschätzung zu untermauern, stellte Hans Königs von der IVV GmbH die Ergebnisse einer Analyse der Güterverkehrsent-wicklung in den ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) vor, die er im Auftrag der IHK-Initiative Rheinland erstellt hat. „Wir gehen von einer Zunahme des Güterumschlags der ZARA-Häfen von 2010 bis 2030 um 67 Prozent aus", sagte Königs. „Das bedeutet für das Jahr 2030 einen Gesamtumschlag von 1,240 Milliarden Tonnen.“ Der Containerumschlag wird der Analyse zufolge in diesem Zeitraum noch dramatischer steigen: um 157 Prozent auf 602 Millionen Tonnen im Jahr 2030. „Das Rheinland wird von diesem Trend besonders betroffen sein, denn die Hälfte des Transitverkehrs in unserer Region wird demnächst mit dem Güterumschlag in den Seehäfen jenseits der Grenze zu tun haben“, erläuterte Königs.

Der Bundesverkehrswegeplan soll die Weichen dafür stellen, dass die Infrastruktur in den kommenden 15 Jahren so ausgebaut wird, dass die enorme Verkehrszunahme im Rheinland gemeistert werden kann. „Die Zahlen, die dem BVWP zugrunde gelegt wurden, stimmen allerdings nicht mit den tatsächlich von uns ermittelten Wachstumsraten überein“, sagte Königs. Einerseits gehe die Prog-nose des Ministeriums von zu niedrigen Werten für das Basisjahr 2010 aus. Andererseits seien die veranschlagten Wachstumsraten zu gering. „Beispielsweise geht das Ministerium für die Häfen Rotterdam und Antwerpen von einem deutschlandrelevanten Güterumschlag von 177 Millionen Tonnen im Jahr 2030 aus, unsere Analyse zeigt, dass mit 260 Millionen Tonnen zu rechnen ist“, so Königs. Die Verkehrsmengen von und zu den Häfen würden kontinuierlich unterschätzt, die Prognosen des Bundes führten zu unrealistischen Einschätzungen. „Das hat Folgen für die Projektpriorisierung und für die Mittelvergabe für wichtige Infrastrukturvorhaben“, so Königs.

Die beiden Geschäftsführer der Häfen Rotterdam und Antwerpen unterstrichen Königs Analyse und führten dem Staatssekretär vor Augen, in welchem Umfang sich die Häfen auf das zunehmende Güteraufkommen vorbereiten. „Wir wachsen kontinuierlich, zum Beispiel haben wir gerade 380 Millionen Euro in einen Schleusen-neubau am linken Schelde-Ufer investiert“, berichtete Luc Arnouts, Chief Commercial Officer, Antwerp Port Authority. „Genauso wichtig wie der Ausbau des Hafens sind aber Investitionen in die Verbin-dungswege ins Hinterland.“ Nur so ließen sich die ehrgeizigen Ziele zur Entlastung des Straßenverkehrs erreichen: „Wir haben uns vor-genommen, bis 2030 den Lkw-Transport von 51 Prozent auf 40 Prozent zu verringern und den Schienentransport von 8 auf 20 Pro-zent zu steigern.“

Allard Castelein, President-Directeur (CEO), Havenbedrijf Rotterdam N.V., appellierte an die Adresse der Politik, Flaschenhälse zu beseitigen: „Wir sind froh, dass das dritte Gleis der Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Duisburg fest disponiert ist, aber wir machen uns ehrlich gesagt Sorgen um das Tempo und die Umsetzung des Projekts.“ Der andauernde Konflikt mit den Feuerwehren und den Gemeinden um Sicherheitsfragen sei lösbar. „Auβerdem“, so Castelein, „könnten die Ziele für die Binnenschifffahrt im Bundes-verkehrswegeplan, insbesondere in Bezug auf das Kanalnetz und die Wasserstraße Rhein ambitionierter ausfallen.“

Die Bedeutung des Rheinlands und die Herausforderungen durch das zunehmende Güteraufkommen über die westlichen Seehäfen sei ihm durchaus bewusst, versicherte der Staatssekretär und nahm Stellung zu konkreten Projekten: „Das dritte Gleis der Betuwe-Linie wird kommen, das Planungsrecht bremst dieses Projekt derzeit, aber wir werden damit rechtzeitig fertig.“

Ferlemann ging auch auf die seit Jahrzehnten kontrovers diskutierte Reaktivierung der Güterstrecke „Eiserner Rhein“ ein. Diese Strecke sei als Entlastung der anderen Güterverkehrsstrecken von den Seehäfen ins Rheinland notwendig. Die historische Trasse, die zum Teil mitten durch Wohngebiete führe, sei nicht mehr umsetzbar und die Variante entlang der A52 zu teuer. „Aber es gibt einen dritten Weg: Die Variante über Venlo mit einem zweigleisigen Ausbau Kal-denkirchen-Dülken“, so Ferlemann. „Damit verbinden wir Eindhoven mit Düsseldorf.“ Auf niederländischer und belgischer Seite gebe es viele Befürworter dieser Trasse. Auch das Land Nordrhein-Westfalen stehe inzwischen dahinter.

Zur Debatte um den Schienenverkehr-Flaschenhals Mittelrheintal erklärte Ferlemann, dass das Lärmproblem des Schienenverkehrs dringend gelöst werden müsse. Die Belastung der Menschen, die an den stark frequentierten Strecken leben, sei enorm. Derzeit werde intensiv in den Lärmschutz investiert. „Sonst werden wir keine Akzeptanz für die Schiene erreichen können.“ Gleichzeitig werde über den Ausbau der Rhein-Sieg-Strecke als Alternative zur vielbe-fahrenen Mittelrheinstrecke nachgedacht.

In der anschließenden Debatte appellierte Rainer Schäfer, Ge-schäftsführer der Neuss Düsseldorfer Häfen, an die Politik, in die Wasserstraßen zu investieren: „Wieso wird der Rhein nicht bis Kob-lenz vertieft?“ Das nationale Hafenkonzept müsse dringend umge-setzt werden, Schleusen modernisiert und Brücken angehoben werden.

Für Erich Staake, Vorsitzender des Vorstands der Duisburger Hafen AG, leide der Infrastrukturausbau in Deutschland an einem grund-sätzlichen Umsetzungsproblem: „Es beginnt bei der mangelnden Planungskapazität und endet bei der Akzeptanz der Bevölke-rung.“ Staake regte eine Initiative der Logistikwirtschaft an, um den Bund mit personellen Planungskapazitäten zu unterstützen.

„Das Angebot nehmen wir gerne an“, antwortete  Ferlemann. Zur Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans stehen Mittel in Höhe von 264,5 Milliarden Euro zur Verfügung. „Das ist eine Rekordsumme, 70 Prozent davon gehen in den Erhalt, der Rest in den Neubau, um Lücken zu schließen und Flaschenhälse zu beseitigen.“ Mit Blick auf die Herausforderungen im Rheinland versicherte Ferlemann: „Wir kennen Ihre Probleme und wir arbeiten an den Lösungen.“

Der Staatssekretär warb zum Schluss der Debatte für mehr Zuver-sicht: „Deutschland ist in einem Ranking der Weltbank erneut Logis-tik-Weltmeister geworden. Irgendetwas machen wir also richtig. Dennoch: Die Konkurrenz schläft nicht. Insbesondere die Mittel-meerhäfen sind unsere Mitbewerber um die Warenströme. Wir müssen immer etwas schneller und besser sein.“

Bildtext: Sie begrüßten Enak Ferlemann (M.), Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (v.l.): Dr. Ulrich Soénius (stellvertretender Hauptge-schäftsführer der IHK zu Köln), Erich Staake (Vorsitzender des Vor-stands der Duisburger Hafen AG), Luc Arnouts (Chief Commercial Officer, Antwerp Port Authority), Rainer Schäfer (Geschäftsführer der Neuss Düsseldorfer Häfen), Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein) und Allard Castelein (President-Directeur (CEO), Havenbedrijf Rotterdam N.V.).