IHK-Präsidium diskutiert mit Landtagsabgeordneten

IHK-Präsidium diskutiert mit Landtagsabgeordneten
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Stand: 14.04.2016

„Von der guten Konjunktur derzeit sollte man sich nicht blenden lassen, Nordrhein-Westfalen steht vor großen strukturellen Herausforderungen.“ Mit diesen Worten eröffnete Heinz Schmidt, Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein den Gedankenaustausch des IHK-Präsidiums mit den Landtagsabgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus dem Kammerbezirk. „Beim Bruttoinlandsprodukt hinken wir hinterher, in die Infrastruktur muss dringend investiert werden, der demografische Wandel wird den Fachkräftemangel noch verschärfen, und die Haushaltslage vieler Kommunen ist prekär“, so Schmidt.

Zum Auftakt des Gedankenaustauschs diskutierten Politiker und Unternehmer über den Breitbandausbau im Land. „Eine leistungsfähige Internetanbindung ist heute mehr denn je zum harten Standortfaktor für Unternehmen geworden“, betonte IHK-Vizepräsident Elmar te Neues. „Die Zielmarke von 50 Mbit/s ist aus Sicht der Wirtschaft zu gering, denn die Datenvolumina werden weiter steigen.“ Das IHK-Präsidium appellierte an die Abgeordneten, sich beim Breitbandausbau in den Gewerbegebieten des Landes für Glasfasertechnologie einzusetzen. Hans-Willi Körfges (SPD) stimmte zu, dass Glasfaser die beste Technologie sei, „aber es muss auch schnell gehen“. Im Einzelfall könnten Kupferkabel eine Übergangslösung sein. Christian Markert (Bündnis 90/Die Grünen) ergänzte: „Künftig sollte für neue Gewerbegebiete gelten: Ohne Glasfaseranschluss keine Genehmigung.“
Landtagsvizepräsident Oliver Keymis (Bündnis 90/Die Grünen) appellierte an die Kommunen, die Breitband-Beratungsangebote und die bereitstehenden Fördermittel zügig zu nutzen.

Auch über die Verkehrsinfrastruktur und die Gewerbeflächenverfügbarkeit diskutierten die Wirtschaftsvertreter mit den Landtagsabgeordneten. IHK-Vizepräsident Dr. Erich Bröker kommentierte die zweite Fassung des Landesentwicklungsplans (LEP): „Auffällig ist, dass in den Kapiteln, in denen die Belange der Wirtschaft beschrieben werden, konsequent auch Regelungen zum Klimaschutz und zur Flächeninanspruchnahme enthalten sind.“ Es werde der Eindruck erweckt, dass diese Maßgaben den wirtschaftlichen Belangen übergeordnet seien. Dem widersprach Rainer Thiel (SPD). Die Ergänzungen der Wirtschaft seien „weitgehend berücksichtigt worden“. „Der LEP ist wesentlich wirtschaftsfreundlicher geworden“, so Thiel. „Die Landesplanung wird Investitionen, die für unser Land wichtig sind, nicht im Weg stehen.“ Thiel hob besonders das Konzept der „landesbedeutsamen Häfen“ hervor, welches die Häfen als Wirtschaftsstandorte stärken soll.

IHK-Vizepräsident Wilhelm F. Thywissen sprach das Problem der sogenannten heranrückenden Wohnbebauung an. Daduch würde der Grundstein für künftige Konflikte zwischen Unternehmen und Bürgern gelegt. Das Präsidium  wünschte sich von der Landesregierung ein klares Bekenntnis zum Trennungsgebot nach dem Bundesemissions-schutzgesetz: „Der im LEP-Entwurf vorgeschlagene Grundsatz des Umgebungsschutzes für Gewerbe- und Industriebereiche muss künftig in den Verwaltungsentscheidungen auch gelebt werden.“ Bauleitplanungen, die Wohnnutzung in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wirtschaftsstandorten ermöglichen, sollten besonders kritisch betrachtet werden. Die Mitglieder des Landtags teilten die Einschätzung. Hans-Christian Markert verwies darauf, dass die Nutzung industrieller Brachen für eine Wohnbebauung eine Chance sei, die von Fall zu Fall genau geprüft werden müsste.

IHK-Vizepräsident Dr. Michael Werhahn ging auf die Finanzmisere der Kommunen ein: „2015 beliefen sich die Jahresfehlbeträge der Städte und Gemeinden auf insgesamt 140 Mio. Euro. Die entscheidende Ursache für das Dilemma ist die Kostenexplosion im Sozialbereich.“ Derzeit profitierten die öffentlichen Haushalte von den niedrigen Zinsen. „Wenn sich das ändert“, so Werhahn, „wird es katastrophal.“ Die reflexartigen Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer seien keine Lösung. Das Konnexitätsprinzip müsse wieder gelten. Wer ein Gesetz beschließe, müsse auch die Kosten tragen.

Dies sei in NRW bereits Gesetz, stellte Hans-Willi Körfgen (SPD) fest. Die Landesregierung habe wiederholt eindringlich an die Bundesregierung appelliert, die Kommunen  bei den Sozialausgaben zu entlasten. „Das Land hat seinen Beitrag geleistet“, ergänzte Hans-Willi Körfges. „Der Bund ist am Zug und muss etwas leisten.“ Mit Blick auf den Landeshaushalt versicherte der SPD-Abgeordnete: „Noch vor 2020 werden wir die Schuldenbremse einhalten, und es wird keine Netto-Neuverschuldung mehr geben.“

Sorgen bereitet dem IHK-Präsidium derzeit der Trend zur „Überakademisierung“ in der Gesellschaft: „Unser System der dualen Ausbildung ist ein Erfolgsmodell, um das uns andere Länder beneiden“, erklärte Heinz Schmidt. „Um die Attraktivität dieses Systems und seiner Chancen herauszustellen, benötigt die Wirtschaft die Unterstützung der Politik.“ Die überproportionale Förderung der Hochschulen müsse zurückgefahren und stattdessen verstärkt in die Ausstattung der Berufsschulen investiert werden. Martina Maaßen (Bündnis 90/Die Grünen) teilte die Einschätzung Schmidts: „Das duale Ausbildungssystem ist eine der großen Stärken des Standorts Deutschland. Akademische und berufliche Ausbildung stehen gleichberechtigt nebeneinander.“ Mit Landesprojekten wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ würden bewusst auch Gymnasiasten an die berufliche Ausbildung herangeführt. Körfges betonte: „Wirtschaft und Politik müssen gemeinsam dagegen vorgehen, dass der Eindruck entsteht, ein Studium sei die einzige anerkannte berufliche Qualifikation.

Bildtext: Sie trafen sich zum Gedankenaustausch: IHK-Vizepräsident Dr. Norbert Miller, Martina Maaßen MdL (Bündnis 90/Die Grünen), Hans-Willi Körfges MdL (SPD), IHK-Präsident Heinz Schmidt, IHK-Vizepräsident Elmar te Neues (vordere Reihe v.l.), Landtagsvizepräsident Oliver Keymis MdL (Bündnis 90/Die Grünen), IHK-Vizepräsident Friedrich W. Scholz, IHK-Vizepräsident Dr. Erich Bröker (zweite Reihe, v.l.), Christian Markert MdL (Bündnis 90/Die Grünen), IHK-Vizepräsident Dr. Stefan Dresely, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz (dritte Reihe, v.l.), IHK-Vizepräsident Dr. Michael Werhahn und IHK-Vizepräsident Wilhelm F. Thywissen (vierte Reihe, v.l.). Nicht auf dem Bild: Rainer Thiel (SPD).