Der Gestaltungsspielraum schrumpft

Der Gestaltungsspielraum schrumpft
© Marco2811 / Adobe Stock

Stand: 27.11.2023

Der Stadt Mönchengladbach droht mittelfristig wieder eine milliardenschwere Gesamtverschuldung. Denn die Aufwendungen steigen kontinuierlich und perspektivisch stärker als die Erträge. Dies sind wesentliche Ergebnisse einer Analyse des Haushaltsplanentwurfs der Stadt Mönchengladbach für 2024 durch Prof. Dr. Harald Schoelen. Der Finanzwissenschaftler von der Hochschule Niederrhein war von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein beauftragt worden. IHK-Vizepräsident Dr. Claus Schwenzer, Geschäftsführer der Effertz Tore GmbH, und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz erklären in einer Stellungnahme an Bürgermeister Felix Heinrichs, dass die Stadt weiter bei den Aufwendungen sparen muss. „Wenn die Stadt Mönchengladbach ihre finanzielle Autonomie auch mittelfristig behalten möchte, muss sie jetzt Gegenmaßnahmen ergreifen“, so Steinmetz. Die IHK begrüßt es, dass sich der Oberbürgermeister in seiner Haushaltsrede für neue Gewerbeflächen ausgesprochen hat.

Die Rahmendaten für den Haushalt sind ernüchternd: Das Jahresergebnis ist stark defizitär. Das prognostizierte Minus für das Jahr 2024 liegt bei rund 78 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2027 wird die Stadt nach derzeitigen Planungen etwa 30 Prozent ihres Eigenkapitals verlieren. „Auch die Entwicklung der Kassenkredite macht uns Sorgen. Sie werden nach derzeitiger Prognose bereits Ende 2024 bei 576 Millionen Euro liegen“, so Steinmetz. Das sind 100 Millionen mehr als zu Beginn des Jahres 2023 – ein Anstieg von mehr als 20 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Und Gutachter Schoelen befürchtet: „Eine Altschuldenhilfe durch Bund und Länder ist erst ab 2025, eine verlässlichere Kommunalfinanzierung nicht in Sicht.“

Positiv entwickeln sich zurzeit die Gewerbesteuererträge.  Doch die IHK weist darauf hin, dass die hohen Werte auch vor dem Hintergrund der beiden vergangenen Inflationsjahre betrachtet werden können. . Darüber hinaus lahmt zurzeit die regionale Konjunktur. So deuten die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage für Mönchengladbach zwar darauf hin, dass die Unternehmen in der Vitusstadt weniger pessimistisch sind als am Mittleren Niederrhein insgesamt. „Allerdings rechnen auch die Unternehmen in Mönchengladbach für das kommende Jahr nicht mit Wachstum. Ob sich die Gewerbesteuer daher weiter positiv entwickeln kann, wie im Haushaltsplanentwurf prognostiziert wird, ist unsicher“, so Steinmetz.

Aus Sicht des Finanzwissenschaftlers Schoelen rechnet die Stadtverwaltung zudem mit einer zu niedrigen Entwicklung der Aufwendungen. „Beispielhaft seien die nur zweiprozentige Steigerungsraten bei den Personalaufwendungen für Beamte und Versorgungsempfänger und die annähernde Deckelung der Transferaufwendungen, insbesondere in der Kinder-, Jugend und Familienhilfe, zu nennen. In diesen Bereichen wird es sicher Nachsteuerungsbedarf geben“, so Schoelen. Auch die Zinsaufwendungen drohen bei weiteren Zinsschritten der EZB-Geldpolitik noch deutlicher zu wachsen als in der mittelfristigen Finanzplanung prognostiziert.

Für den Gutachter der Hochschule Niederrhein sollte eine Haushaltskonsolidierung daher insbesondere auf der Seite des Aufwands erfolgen. So fordert er in seinem Gutachten Aufgabenkritik und eine konstruktive Diskussion der Standardabsenkung bei Pflichtaufgaben, um Aufwandsteigerungen zu begrenzen. IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz sieht Stadt und Politik in der Pflicht: „Es muss ein Konsolidierungskonzept unter Einbeziehung der Verwaltung und aller politischen Kräfte aufgestellt werden.“ Und IHK-Vizepräsident Dr. Claus Schwenzer bekräftigt, dass die kritische Haushaltslage keinesfalls zu Steuererhöhungen führen dürfe. „Mönchengladbach ist bereits ein steuerlich teurer Standort. Mit der Stadt Dormagen hat nur e eine Kommune am Mittleren Niederrhein höheren Gewerbesteuersatz“, erklärt der Mönchengladbacher Unternehmer.

Für die IHK ist klar: Der Gestaltungsspielraum der Stadt schrumpft. Es bestehe keinerlei Möglichkeit, freiwillige Aufwendungen zu erhöhen. Investitionsprojekte wie der Bau des „Rathauses der Zukunft“ in Rheydt wurden mit Blick auf die stark steigenden Baukosten und Zinsen zurecht gestoppt. „Positiv ist, dass die Liste der geplanten Investitionen – auch dank der Zuschüsse von Land und Bund – dennoch ambitioniert bleibt“, so Steinmetz. Das gelte auch für wirtschaftsnahe Bereiche wie etwa Digitalisierungsprojekte im Bereich von Smart City. Die IHK geht davon aus, dass die Stadtentwicklung mittelfristig nur dann so erfolgreich wie in den vergangenen Jahren bleibe, wenn private Investoren vor Ort gute Rahmenbedingungen vorfinden. „Deswegen begrüßen wir, dass die Gestaltungsmehrheit im Rat beschlossen hat, dass die Stadt Mönchengladbach dem RAL-Gütezeichen Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung beitritt“, so Steinmetz.

Aus Sicht der IHK ist es erfreulich, dass Oberbürgermeister Felix Heinrichs in seiner Haushaltsrede explizit ein Bekenntnis dazu abgegeben hat, dass wirtschaftliches Wachstum Grundlage für einen breiten Wohlstand und für stabile Kommunalfinanzen ist. „Diese Fokussierung ist umso bedeutender, da für Gewerbe und Industrie in Mönchengladbach kaum freie Flächen verfügbar sind“, so IHK-Vizepräsident Schwenzer. Um die Flächennachfrage der Wirtschaft bedienen zu können, sollten nach Auffassung der IHK die Potenzialflächen aus dem Regionalplan Düsseldorf zeitnah in verbindliches Baurecht umgesetzt und Flächen gekauft werden. „Besondere Entwicklungschancen sehen wir in dem interkommunalen Gewerbegebiet Innovationsflughafen, der Flächenentwicklung am JHQ und einem Zero-Emission-Gewerbegebiet“, betont Schwenzer.