Konjunktur im Rheinland im Abwärtstrend

Konjunktur im Rheinland im Abwärtstrend
© Tino Neitz/Adobe Stock

Stand: 15.11.2023

Das Konjunkturklima im Rheinland hat sich zum Herbst deutlich abgekühlt. „Die Unternehmen schätzen ihre Lage jetzt deutlich schlechter ein als zu Beginn des Jahres“, kommentiert Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, die wesentlichen Aussagen des neuen Konjunkturbarometers Rheinland. Betroffen seien bis auf die Dienstleister alle Branchen. „Inflation auf der einen Seite und hohe Energiepreise auf der anderen sind für die Unternehmen problematisch“, so Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der Bergischen IHK, bei der Vorstellung des Barometers in Wuppertal. Gut 2.800 Unternehmen haben an der Umfrage zum Konjunkturbarometer der Industrie- und Handelskammern Aachen, Bonn/Rhein-Sieg, Düsseldorf, Köln, Mittlerer Niederrhein, Niederrhein und der Bergischen IHK teilgenommen. „Von den Leitbranchen des Mittleren Niederrheins sind die Werte der Metallindustrie, der Chemischen Industrie und der Logistik besonders besorgniserregend. Der Maschinenbau und die Ernährungswirtschaft sind die zwei Industriezweige mit den positivsten Lagebeurteilungen“, erläutert Steinmetz.

26 Prozent der Unternehmen im Rheinland bewerten ihre Geschäftslage als gut, aber fast ebenso viele als schlecht (25 Prozent). Die immer noch zu hohe Inflation wirkt sich negativ auf die Nachfrage beim Einzelhandel und in der Industrie aus. Die Energiepreise sind zwar niedriger als im Vorjahr, dennoch liegen sie über dem Niveau vor dem Ukrainekrieg und deutlich höher als in anderen Industrienationen. „Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit des Verarbeitenden Gewerbes im Rheinland, insbesondere der energieintensiven Industriezweige“, so Wenge. Bei den Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf laufen die Geschäfte im Durchschnitt deshalb weitaus schlechter als bei den übrigen Industriebetrieben. „Daher ist das von der Bundesregierung geplante Strompreispaket ein wichtiger Schritt zur Entlastung des Produzierenden Gewerbes“, unterstreicht Wenge. Auch im produktionsnahen Großhandel, der seine Waren vor allem an die Industrie absetzt, ist ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen.

 Erwartungen, Investitionspläne, Beschäftigungsentwicklung

Eine Wende zum Besseren ist derzeit nicht in Sicht: Jedes dritte Unternehmen befürchtet, dass sich seine wirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten verschlechtern wird, nur 16 Prozent hoffen auf eine Verbesserung. Lediglich die IT-Dienstleister und das Finanzgewerbe sind für ihre Geschäftsentwicklung im kommenden Jahr zuversichtlich. Die trüben Konjunkturaussichten und das stark gestiegene Zinsniveau belasten das Investitionsklima. Die Unternehmen berichten daher, dass sie sich bei ihren Ausgaben für Bauten, Ausrüstungen und Anlagen im Jahr 2024 zurückhalten werden. „Das gilt insbesondere für die energieintensiven Industriezweige“, erläutert Wenge. Dagegen beabsichtige die wachstumsorientierte IT-Wirtschaft, ihre Budgets weiter aufzustocken. Ähnlich sieht es bei den Personalplänen aus: Die IT-Dienstleister wollen mehr Arbeitsplätze schaffen, sofern sie geeignete Fachkräfte finden. Andererseits werden voraussichtlich mehr als drei von zehn energieintensiven Industriebetrieben Personal reduzieren.

 Blick auf die Leitbranchen am Mittleren Niederrhein

Beim Blick auf die Leitbranchen am Mittleren Niederrhein zeigt sich dies sehr deutlich. Größtes Sorgenkind ist die Metallindustrie. Mehr als die Hälfte der Unternehmen berichtet von rückläufigen Auftragseingängen. Jedem dritten Metallbetrieb geht es zurzeit schlecht. Dr. Georg Geier, Geschäftsführer der Siempelkamp Giesserei GmbH in Krefeld, ordnet diese Zahlen ein: „Die konjunkturelle Lage der Metall-Branche und ihrer Kunden im Maschinenbau wird durch eine unheilvolle Gemengelage aus globalen Krisen empfindlich verschärft. Gleichzeitig können wir uns in Europa – und in Deutschland im Speziellen – auf keine unterstützenden, politischen Rahmenbedingungen einigen, sondern intensivieren permanent die regulatorischen und bürokratischen Hürden für Unternehmen. Daraus lässt sich derzeit keine verlässliche und hoffnungsvolle Vorausschau und Planung für die nächste Zukunft aufbauen.“

Auch in der Chemischen Industrie überwiegen die Betriebe mit schlechten Lagebeurteilungen. Nur 22 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage als gut, 34 Prozent als schlecht. „Die Branche rechnet nicht damit, dass die strukturellen Probleme schnell angegangen werden können.“, sagt Steinmetz. „Die Geschäftserwartungen bleiben daher pessimistisch.“ Positiv ist die Lage dagegen in der Ernährungsindustrie und im Maschinenbau. Beide Branchen haben jedoch für das Jahr 2024 ebenfalls pessimistische Erwartungen.

In der Logistikwirtschaft ist die Geschäftslage ebenfalls negativ. Der Geschäftslageindikator nimmt einen Wert von -7 Punkten an. Negativer war der Indexwert in den vergangenen 13 Jahren nur während der pandemiebedingten Lieferkettenprobleme Anfang 2021. „Die weiterhin hohen Treibstoffpreise drücken die ohnehin knappen Gewinnmargen. Dazu sorgen die Erhöhung der Lkw-Maut und der Fahrermangel für pessimistische Erwartungen“, fasst Steinmetz zusammen.

Risiken: Energiepreise, Fachkräftemangel, Inlandsnachfrage

Jedes zweite Unternehmen sieht die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als großen Risikofaktor für seine Geschäftsentwicklung im kommenden Jahr. Dies ist der höchste Wert, der seit Beginn der Erhebung vor zehn Jahren gemessen wurde. Angesichts der Energiepolitik sind vor allem die energieintensiven Industriebetriebe stark beunruhigt. Quer durch alle Branchen wird zudem die ausufernde Bürokratie als ein gravierender Standortnachteil bemängelt. Aktuell befürchten 55 Prozent der befragten Unternehmen, dass der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften ihre Geschäftstätigkeit in den kommenden Monaten beeinträchtigen könnte. „Auch hierbei handelt es sich um einen neuen Rekordwert“, so Wenge. Außerdem blicken die Unternehmen mit Sorgenfalten auf die Entwicklung der Nachfrage im In- und Ausland. Doch das am häufigsten genannte Geschäftsrisiko bleibt auch im Herbst 2023 die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise.