Insolvenzordnung: Verbraucherinsolvenzverfahren

Insolvenzordnung: Verbraucherinsolvenzverfahren
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Die Insolvenzordnung (InsO) räumt Schuldnern die Möglichkeit ein, sich durch ein Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung von ihren Schulden zu befreien. Das Merkblatt gibt Hinweise für Personen mit Schulden aus ehemals selbstständiger Tätigkeit zur Durchführung des so genannten Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Verbraucher im Sinne der Insolvenzordnung

Die Insolvenzordnung differenziert zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren, wobei der Schuldner keine Wahlmöglichkeit hat. Alle zum Zeitpunkt der Antragstellung Selbstständigen, unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit, unterfallen dem Regelinsolvenzverfahren.

Ehemals Selbstständigen sowie natürlichen Personen ist das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, sofern die Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Die Überschaubarkeit ist gegeben, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung nicht mehr als 19 Gläubiger hat. Zu Forderungen aus Arbeitsverhältnissen zählen insbesondere die Forderungen der Finanzämter (Lohnsteuer) und Sozialversicherungsträger (z. B. Krankenkassenbeiträge für Angestellte, Knappschaftsbeiträge, Lohnforderungen von Angestellten) sowie Berufsgenossenschaften.

Insolvenzgründe

Ein Insolvenzgrund liegt bei natürlichen Personen vor, wenn sie entweder bereits zahlungsunfähig sind oder sich für die nächste Zeit eine Zahlungsunfähigkeit abzeichnet.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine derzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Nur vorübergehende Zahlungsunfähigkeit ist dagegen kein Insolvenzgrund. Sie liegt vor, wenn zwar am Tag der Fälligkeit der Forderung keine Mittel zur Bezahlung zur Verfügung stehen, dieser Zustand aber entweder direkt durch die Beschaffung etwa eines Bankkredites oder Stundung von Forderungen geändert werden kann oder für die allernächste Zeit (maximal 3 Wochen) ein Zahlungseingang zu erwarten ist, aus dem die Forderung beglichen werden kann.

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum späteren Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Zur Antragstellung ist nur der Schuldner berechtigt. 

Das zuständige Gericht / der Insolvenzantrag

Um ein Insolvenzverfahren einzuleiten, bedarf es eines entsprechenden Antrags bei dem zuständigen Gericht. Dies sind die Amtsgerichte, an deren Standort auch ein Landgericht seinen Sitz hat (zum Beispiel Krefeld, Mönchengladbach). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz des Schuldners.

Der Eröffnungsantrag für ein Verbraucherinsolvenzverfahren muss auf einem amtlichen Vordruck gestellt werden - http://www.justiz.nrw.de/BS/formulare/insolvenz/index.php oder beim zuständigen Insolvenzgericht -. § 13 InsO schreibt für alle Insolvenzanträge die Schriftform vor. Antragsberechtigt sind der Schuldner und die Gläubiger. Die Anforderungen an einen Antrag des Schuldners sind deutlich erhöht worden. So hat der Schuldner seinem Insolvenzantrag ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Um Restschuldbefreiung zu erlangen bedarf es eines Eigenantrags des Schuldners. Der Antrag auf Restschuldbefreiung muss mit dem Insolvenzantrag gestellt werden. Der Antrag gilt nur für die eigene Person. Mitschuldner und Bürgen müssen einen eigenen Antrag stellen. Das gilt auch für Geschäftsführer einer GmbH und persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften, denen eine persönliche Inanspruchnahme durch Gläubiger der Gesellschaft oder den Insolvenzverwalter droht. Sowohl für das Verbraucher- als auch für das Regelinsolvenzverfahren besteht die Möglichkeit, das gesamte Verfahren oder Teile davon schriftlich durchzuführen (§ 5 Abs. 2 InsO). Die Anordnung des schriftlichen Verfahrens kann getroffen werden, sofern die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Die Entscheidung des Gerichts ist öffentlich bekannt zu machen.

Das Verfahren

Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird in bis zu vier Stufen abgewickelt.

Außergerichtlicher Einigungsversuch

Vor Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens muss der Schuldner zwingend versuchen, mit seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Einigungsversuch auf der Grundlage eines Planes herbeizuführen. Dieser Plan ist grundsätzlich mit den Gläubigern frei verhandelbar. Da jedoch in der nächsten Stufe der Antrag auf Insolvenzeröffnung ebenfallsmit einem Schuldenbereinigungsplan verbunden werden muss, empfiehlt es sich, sich auch schon im außergerichtlichen Bereich an den Vorgaben zum gerichtlichen Verfahren zu orientieren. Eine außergerichtliche Einigung ist nur dann erfolgreich, wenn alle Gläubiger zustimmen. Das Schweigen eines Gläubigers ist als Ablehnung zu werten. Betreibt ein Gläubiger während des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Zwangsvollstreckung, gilt der Versuch ebenfalls als gescheitert. Bei absoluter Vermögenslosigkeit ist auch ein so genannter „Null-Plan“ zulässig, bei dem Gläubiger auf ihre Forderungen nichts erhalten.

Bleibt der Einigungsversuch erfolglos, kann bei Gericht Insolvenzantrag gestellt werden. Dem Antrag ist die Bescheinigung einer geeigneten Stelle oder Person über das Scheitern des Einigungsversuchs beizufügen. Geeignete Personen sind die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe, also Rechtsanwälte, Steuerberater et cetera. Geeignete Stellen sind anerkannte Schuldnerberatungsstelle. Eine List der in NRW anerkannten Stellen findet sich im Internet unter www.forum-schuldnerberatung.de oder kann bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Postfach 30 38 65, 40408 Düsseldorf, erfragt werden. Es ist empfehlenswert, schon für die Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Unterstützung einer geeigneten Person oder Stelle in Anspruch zu nehmen.

Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

Mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung muss der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan vorlegen und eine Erklärung abgeben, warum der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert ist. Bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruht das Verfahren über den Antrag auf Insolvenzeröffnung. Dabei kann er auf Planungen des außergerichtlichen Einigungsversuchs zurückgreifen. Das Gericht entscheidet nach freiem Ermessen, ob das Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführd wird oder nicht. Es wird auf die Durchführung verzichten, wenn die fehlende Zustimmung einzelner Gläubiger nicht ersetzt werden kann. Spricht sich die Mehrheit der Gläubiger nach Kopf und Summen für den Schuldenbereinigungsplan aus, kann das Gericht die Zustimmung der Minderheit ersetzen. Die Zustimmung eines Gläubigers darf nicht ersetzt werden, wenn dieser im Verhältnis zu den anderen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird und durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird als bei Durchführung des gerichtlichen Verfahrens.

Wird der Schuldenbereinigungsplan durchgeführt, gelten die Anträge auf Insolvenzeröffnung und Restschuldbefreiung als zurückgenommen. Der Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs. Aus ihm kann vollstreckt werden, wenn der Schuldner die Vereinbarungen nicht einhält.

Gerichtliches Verbraucherinsolvenzverfahren

Kommt kein Schuldenbereinigungsplan zustande, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzgericht prüft zunächst, ob die Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Auslagen, Treuhänder) gedeckt sind oder gestundet werden. Ist die Kostenfrage geklärt und ein Eröffnungsgrund vorhanden, erlässt das Gericht den Eröffnungsbeschluss und macht diesen öffentlich bekannt (Bundesanzeiger, Internet, NRW Regierungsblatt). Auf der Internetplattform www.involenzbekanntmachungen.de stellen mittlerweile alle Bundeslänger ihrer Bekanntmachungen bestellt. Der Treuhänder ist eine neutrale Person, die auch vom Schuldner vorgeschlagen werden kann. In der Praxis ist der Treuhänder in der Regel ein Angehöriger der rechtsberatenden Berufe, der vom Gericht eingesetzt wird. Auf ihn geht mit dem Eröffnungsbeschluss die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Schuldnervermögen über. Zur Insolvenzmasse gehört das zurzeit des Eröffnungsbeschlusses pfändbare Vermögen und das Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlang (z. B. pfändbarer Teil des Arbeitseinkommens, Zahlungen von Kunden). Aufgrund des bereits durchgeführten Vorverfahrens ist im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren ein Berichtstermin, in dem der Bestand der Forderungen gegen den Schuldner festgestellt würde, nicht erforderlich und das Verfahren kann schriftlich durchgeführt werden.

Nach der Vermögensverteilung durch den Treuhänder wird in einem Schlusstermin, in dem Gläubiger und Treuhänder zu hören sind, durch Beschluss festgelegt, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er seine Obliegenheiten in der Wohlverhaltensperiode erfüllt und keine Versagensgründe, die auf Antrag des Gläubigers zu prüfen sind, vorliegen.

Restschuldbefreiung

Voraussetzung für die Erteilung der Restschuldbefreiung ist zunächst, dass der Schuldner selbst Insolvenzantrag stellt und diesen mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung verbindet. Außerdem darf kein Versagungsgrund vorliegen. Das sind unter anderem:

  • die rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen einer Insolvenzstraftat;
  • falsche Angabe über seine wirtschaftlichen Verhältnisse um Kredite zu erhalten und öffentliche Leistungen zu beziehen;
  • Erteilung oder Versagung der Restschulbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung;
  • Beginn der sogenannten Wohlverhaltensperiode mit Ende des Insolvenzverfahrens (Schlusstermin). Sie dauert sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Während dieser Zeit ist der Schulder verpflichtet:

    - den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an den vom Ge-
      richt bestellten Treuhänder abzuführen;
    - eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, oder, wenn er beschäftigungslos
      ist, sich intensiv um eine solche zu bemühen und  jede zumutbare Beschäftigung
      anzunehmen;
    - dem Treuhänder jeden Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel mitzuteilen.

Wird gegen diese Pflichten verstoßen, kann das Gericht bereits während der Dauer der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagen. Der Treuhänder verteilt die pfändbaren Einkommensanteile quotal an die Gläubiger, d. h. entsprechend ihrem Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten.

Um die Motivation des Schuldners während der Wohlverhaltensperiode zu erhöhen, erhält er vom Treuhänder im fünften Jahr einen Bonus von zehn Prozent im sechsten Jahr 15 Prozent der abgetretenden Beträge zurückgezahlt. Wenn nichts Pfändbares vorliegt, erhält er den Bonus nicht. Während der Wohlverhaltensperiode sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig. Pfändungen werden Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam.

Nach erfolgreichem Abschluss der Wohlverhaltensperiode ergeht seitens des Gerichts nach Anhörung von Schuldner, Gläubigern und Treuhänder ein förmlicher Beschluss, dass der Schuldner nunmehr schuldenfrei ist, soweit keine schuldhaften Obliegenheitsverletzungen oder Versagensgründe vorliegen. Ausgenommen sind allerdings Schulden, die aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, aus Geldstrafen, Geldbußen, Zwangs- oder Ordnungsgeldern herrühren und neue Schulden, die während der Wohlverhaltensperiode gemacht wurden. Der Beschluss wird öffentlich bekannt gemacht.

Stundung der Verfahrenskosten

Auch völlig mittellosen Schuldnern, die nicht in der Lage sind, die Verfahrenskosten aufzubringen, soll die Möglichkeit eröffnet werden, das Insolvenzverfahren durchzuführen und damit nach Abschluss des Verfahrens die Restschuldbefreiung zu erlangen. Deshalb haben natürlich Personen, die einen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen die Möglichkeit, die Stundung der Verfahrenskosten zu beantragen. Diese Möglichkeit besteht sowohl im Verbraucher, als auch im Regelinsolvenzverfahren. Die Stundung umfasst auch die Kosten des Schuldenbereinigungsplans und des Verfahrens der Restschuldbefreiung. Gestundet werden die Gerichtskosten, die Kosten des Treuhänders und eines beigeordneten Rechtsanwaltes, wenn die Vertretung dem Gericht erforderlich erscheint. Die Stundung erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt gesondert. Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage die Verfahrenskosten zu zahlen, so kann das Gericht den Betrag für weitere vier Jahre stunden. Erst nach Ablauf dieser Zeit kann dem Schuldner der Betrag zu Lasten der Staatskasse erlassen werden.