Urlaubsrecht: Wie viel? Wann? Wer zuerst?

Urlaubsrecht: Wie viel? Wann? Wer zuerst?
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Arbeitnehmer haben grundsätzlich in jedem Kalenderjahr einen Anspruch auf Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs. Der gesetzliche Mindesturlaub nach Bundesurlaubsgesetz beträgt 24 Werktage. Allerdings ergibt sich aus Tarifverträgen oder Einzelvereinbarungen häufig ein höherer Urlaubsanspruch.

Den gesetzlichen Regelungen gehen günstigere tarifliche Bestimmungen oder Einzelvereinbarungen vor. Sonderbestimmungen ergeben sich unter anderem auch aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz und dem Schwerbehindertengesetz.

Voraussetzungen für den Urlaubsanspruch

Voraussetzung für den Urlaubsanspruch ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Dazu gehören auch Berufsausbildungs-, Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Der Arbeitnehmer erwirbt den vollen Urlaubsanspruch nach einer Wartezeit von sechs Monaten. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat.

Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er entweder wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt oder wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres (also bis zum 30.06.) aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Scheidet der Arbeitnehmer bei erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte aus, wird nicht gequotelt; es entsteht also der volle Urlaubsanspruch.

Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel

Wechselt der Arbeitnehmer im laufenden Jahr den Arbeitgeber und hat in seinem früheren Arbeitsverhältnis weder Urlaub noch eine Abgeltung erhalten, entsteht der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis ungekürzt. Der neue Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht darauf verweisen, sich an seinen früheren Arbeitgeber zu wenden.

Urlaubsdauer und Zeitpunkt

Die Mindesturlaubsdauer für Arbeitnehmer beträgt grundsätzlich 24 Werktage jährlich, wobei der Samstag als Werktag mitgerechnet wird. Wenn die Arbeitszeit nicht auf alle Werktage der Woche (6 Tage) verteilt ist, muss der Urlaubsanspruch in Arbeitstage umgerechnet werden.

1. Regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf 5 oder weniger Arbeitstage je Woche

Beispiel für eine 5-Tage-Woche:
Gesamtdauer des gesetzlichen Urlaubs (24 Tage) multipliziert mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitstage einer Woche (5) dividiert durch (6 Werktage) = 20

Beispiel für eine 3-Tage-Woche:
Gesamtdauer des gesetzlichen Urlaubs (24 Tage) multipliziert mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitstage einer Woche (3) dividiert durch (6 Werktage) = 12

Gleiches gilt für geringfügig Beschäftigte.

2. Unregelmäßige Verteilung der Arbeitstage je Woche

Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nicht regelmäßig auf eine bestimmte Anzahl von Wochentagen verteilt, sondern beispielsweise mal auf vier, mal auf fünf Tage in der Woche, ist die Berechnung auf das Jahr zu beziehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht in diesem Fall von einer Arbeitsverpflichtung an 260 Tagen in der 5-Tage-Woche und von 312 Werktagen in der 6-Tage-Woche aus, sofern ein Tarifvertrag keine andere Regelung enthält.

Die Berechnungsformel lautet dann:
Gesetzliche oder tarifliche Urlaubsdauer oder vertraglicher Urlaub bei Vollzeit multipliziert mit den Tagen, an denen der Arbeitnehmer im Jahr zur Arbeit verpflichtet ist dividiert durch die Jahreswerktage oder Jahresarbeitstage (je nach betrieblicher Grundlage)

Beispiel: Ein Arbeitnehmer arbeitet in 28 Wochen im Jahr an 5 Tagen, in 18 Wochen an 4 Tagen und in 6 Wochen an 3 Tagen in der Woche. Im Betrieb besteht ein Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen bei einer 5-Tage-Woche. Der Urlaubsanspruch berechnet sich wie folgt:

28 Arbeitstage (betriebliche Urlaubsdauer) multipliziert mit 230 Arbeitstagen (28 Wochen x 5 Arbeitstage + 18 Wochen x 4 Arbeitstage + 6 Wochen x 3 Arbeitstage) dividiert durch 260 (Jahresarbeitstage) = 24,67

Daraus ergibt sich eine Urlaubsdauer von 24,67 Arbeitstagen. Eine Aufrundung nach § 5 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz findet dabei nicht statt.

Für Teilzeitbeschäftigte gelten bei einer ungleichmäßigen Verteilung die gleichen Grundsätze wie für die Berechnung im Vollzeitarbeitsverhältnis.

Die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts möglich (Urteil vom 21. Oktober 2014, Az: 9 AZR 956/12). Dabei muss der Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzung durchführen.

Die Festlegung des Urlaubs erfolgt nicht einseitig durch den Arbeitnehmer; er hat kein Recht zur Selbstbeurlaubung. Macht der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch geltend, legt der Arbeitgeber den Urlaubszeitpunkt unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers fest. Der Arbeitgeber muss die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers dann nicht berücksichtigen, wenn dringende betriebliche Belange oder unter sozialen Gesichtspunkten vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Stellt der Arbeitgeber einen Urlaubsplan auf, so hat der Betriebsrat mitzubestimmen.

3. Umfang des Urlaubsanspruchs bei Änderung der Anzahl der Arbeitstage

Basierend auf einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Beschluss vom 13.06.2013, AZ C-415/12) ist es im Fall der Verringerung der Anzahl der Arbeitstage im Laufe des Jahres nicht zulässig, die Zahl der während einer vorherigen Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage zu kürzen (BAG, Urteil vom 10.02.2015, AZ 9 AZR 53/14). Die Zahl der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage ist daher abschnittsweise zu berechnen. Dies dürfte auch für den umgekehrten Fall der Erhöhung der Arbeitstage gelten.

4. Übertragung

Grundsätzlich muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr ist möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Dann muss der Urlaub grundsätzlich in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Wird der Urlaub nicht bis Jahresende oder bei möglicher Übertragung nicht bis Ende des Übertragungszeitraums genommen, verfällt er aber nicht automatisch. Vielmehr hat der Arbeitgeber eine Mitwirkungsobliegenheit in Form einer Aufforderungs- und Hinweispflicht. Er muss den Arbeitnehmer klar und rechtzeitig darauf hinweisen, dass der Urlaub bis zum Jahresende beziehungsweise Ende des Übertragungszeitraums genommen werden muss und ansonsten erlischt.  Außerdem muss er ihn auffordern, seinen Urlaub zu nehmen. Kommt der Arbeitgeber seiner Aufforderungs- und Hinweispflicht nicht nach, erlischt der Urlaubsanspruch nicht, so dass es zu einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen aus vergangenen Jahren kommen kann. Diese können verjähren, aber nur, wenn der Arbeitgeber zuvor rechtzeitig auf den noch ausstehenden Urlaub und drohenden Verfall hingewiesen hat. Dann beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Hinweis erteilt hat.

Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer wegen längerer Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht bis zum Ende des Übertragungszeitraums nehmen kann. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass der Urlaubsanspruch in einem solchen Fall spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Aber auch hier besteht grundsätzlich eine Hinweispflicht des Arbeitgebers vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Hat der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr noch gearbeitet, ist dann erkrankt und bis zum Ablauf der 15 Monate nicht wieder arbeitsfähig, erlischt der Anspruch nur, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen. Hat der Arbeitnehmer vor Erkrankung im Urlaubsjahr nicht gearbeitet, erlischt der Anspruch allerdings unabhängig von einem Hinweis.

Dies gilt für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für den übergesetzlichen Urlaub können andere Regelungen vereinbart werden, dann ist aber eine deutliche Trennung erforderlich.

5. Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung während des Urlaubes (Urlaubsentgelt). Die Höhe richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs. Überstundenvergütungen werden nicht berücksichtigt. Ein gesetzlicher Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld (Gratifikation) besteht nicht. Häufig wird jedoch aufgrund tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Regelung oder entsprechender betrieblicher Übung ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt.

Es ist grundsätzlich unzulässig, nicht in Anspruch genommenen Urlaub in Geld abzugelten. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken des Urlaubs, das heißt der Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Erholung. Die Urlaubsabgeltung ist nur zulässig, wenn der Urlaubsanspruch wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllt werden kann. Gekündigte Arbeitnehmer müssen ihren noch ausstehenden Urlaub nicht mehr bis Jahresende beziehungsweise bis zum Ende des Übertragungszeitraums geltend machen (BAG, Urteil vom 19.06.2012, Az: 9 AZR 652/10). Für die Berechnung ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers maßgebend.

Tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen können zum Verfall des Abgeltungsanspruches führen. Bei übergesetzlichem Mehrurlaub führte eine einzelvertragliche oder tarifliche Ausschlussfrist immer zum Verfall des Abgeltungsanspruches. Das BAG hat am 09.08.2011 (9 AZR 365/10) entschieden, dass eine tarifliche Ausschlussklausel auch für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs gilt. Sieht ein Tarifvertrag z.B. eine dreimonatige Ausschlussklausel nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so verfallen alle Abgeltungsansprüche mit Ablauf dieses Zeitraums.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entfällt auch nicht, wenn ein Arbeitnehmer verstirbt. Für diesen Fall hat der Europäische Gerichtshof am 6. November 2018 (Az C-569/16 und C-570/16) entschieden, dass den Erben ein Abgeltungsanspruch bezüglich der bisher nicht genommenen Urlaubstage zustehen kann.

6. Erkrankung während des Urlaubs

Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet.

Auch bei längerer Krankheit während des Urlaubsjahres wird der Urlaubsanspruch nicht beeinträchtigt. Er besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr krank war. Der Urlaubsanspruch erlischt auch nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortgedauert hat und der Urlaub deshalb nicht genommen werden konnte (siehe oben).

Freistellung

Ein Anspruch auf (un-)bezahlte Freistellung kann sich aus Gesetz, Betriebsvereinbarung, vertraglicher Vereinbarung oder Tarifvertrag ergeben. Bezahlte Freistellung wird dem Arbeitnehmer insbesondere aus persönlichen Gründen gewährt, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit unverschuldet an der Arbeitsleistung gehindert ist und ihm unter Berücksichtigung der Treuepflicht die Arbeitsleistung nicht zugemutet werden kann.

Dazu gehören:

  1. Geburts- oder Sterbefall in der Familie
  2. schwere Erkrankung naher Angehöriger
  3. Arztbesuch
  4. Umzug und so weiter.

Hinsichtlich der Dauer des Sonderurlaubs gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Sie können sich aber aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben.

Bildungsurlaub

Nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten erwirbt der Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen einen Anspruch auf Freistellung zur politischen oder beruflichen Weiterbildung in Höhe von fünf Arbeitstagen im Jahr. Ein derartiger Anspruch besteht jedoch nur in Betrieben mit mindestens zehn Beschäftigten. Während des Bildungsurlaubs wird das Entgelt weitergezahlt.